Airborn 01 - Wolkenpanther
zu werfen. Darunter ein Topf mit Flickleim, der auf sein Gesicht und sein Gewehr spritzte. Szpirglas kraxelte auf den Steg. Offensichtlich hatte er nichts von Vlads Suppe gegessen, denn er war völlig wach. In seinen Augen loderte eine Wut, wie ich sie noch nie bei einem Menschen gesehen hatte.
Er legte an und feuerte, doch das Gewehr gab nur ein dumpfes, klebriges Ächzen von sich, weil seine Mündung mit Leim verstopft war. Szpirglas fluchte und warf sich auf mich. Der einzige Fluchtweg, der mir blieb, war das achtern gelegene Krähennest. Also kletterte ich die Leiter hinauf.
Ich erreichte die gläserne Beobachtungskuppel, schwang sie auf und stieg auf den Rücken des Schiffs. Ich musste heftig blinzeln, weil die Sonne so grell vom Himmel schien. Überall um uns herum erstreckte sich das blaue Meer und direkt vor uns lag die Insel. Keine zehn Minuten mehr, dann würden wir sie erreichen.
Gebückt und mit einer Hand am Halteseil hastete ich weiter. Als ich etwa die Mitte des Schiffs erreicht hatte, schaute ich zurück. Immer noch kein Zeichen von Szpirglas. Ich zögerte. Vielleicht war er auf dem Weg zum vorderen Krähennest, um dort auf mich zu warten. Ich saß in der Falle. Welche Richtung sollte ich nun einschlagen?
In diesem Augenblick wurde die vordere Luke tatsächlich aufgestoßen. Ich traute meinen Augen kaum, als eine weiße Gestalt herausgesprungen kam.
Vor mir hockte der Wolkenpanther auf dem Rücken des Schiffs. Er kauerte dort im Fahrtwind, das Fell dicht am Körper, und sah sich um. Seit seiner Geburt war er nicht mehr in der Luft gewesen. Im Moment schien er sich keinen Deut für mich zu interessieren, sondern kauerte bewegungslos auf der Schiffshülle. Vielleicht hatte er mich noch nicht einmal entdeckt. Ich wagte dennoch nicht weiterzugehen. Seine Schnauze war rot von Crumlins Blut. Er versperrte meinen einzigen Fluchtweg.
Hastig wandte ich mich wieder zum hinteren Krähennest um. Vielleicht hatte Szpirglas die Verfolgung ja aufgegeben. Schließlich musste er das Schiff fliegen und die Landung auf der Insel vorbereiten.
Doch als ich keine zwanzig Meter mehr von der hinteren Luke entfernt war, erschien Szpirglas auf dem Rücken des Schiffs. Er hielt ein Messer in der Hand, dessen gezackte Klinge in der Sonne blitzte. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er starrte mich an, als konzentrierte er sich auf die vor ihm liegende Aufgabe.
Es war vorbei. Es gab keinen Ausweg mehr. Ich hatte keine Ahnung, ob Szpirglas den Wolkenpanther hinter mir gesehen hatte, denn er duckte sich eng an die Schiffshülle und wurde von meinem Körper verdeckt. Ich wusste nicht, was schlimmer wäre: von dem Tier zerfleischt oder von Szpirglas erstochen zu werden. Ich schämte mich zwar dafür, aber ich fühlte mich plötzlich sehr müde. Ich war es leid zu fliehen, vor allem, wenn es so sinnlos schien. Es gab nur zwei Wege für mich und beide führten direkt in den Tod.
Szpirglas kam auf mich zu. Trotz des wackeligen Untergrunds waren seine Schritte schnell und sicher. Daran, dass der Wind zugenommen hatte, merkte ich, dass Szpirglas die Aurora als Vorbereitung auf die Landung schon etwas tiefer gesteuert hatte. Die Insel war immer noch ein gutes Stück entfernt, aber wenn sich nicht bald jemand um die Steuerung kümmerte, würden wir gegen den großen Berg in ihrer Mitte stoßen. Selbst in diesem Moment konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass meinem Schiff etwas zustieß, vor allem, wenn noch immer alle an Bord gerettet werden konnten. Vielleicht würde nur ich mein Leben lassen müssen, außer Bruce natürlich, der bereits für unsere Rettung gestorben war. Der arme Bruce.
»Du bist ja ein richtiger Ausbrecherkönig.« Szpirglas war nur noch wenige Schritte von mir entfernt. »Wirklich beeindruckend. Wenn du dich mir nicht so widersetzt hättest, hätte ich dir vielleicht eine Heimat auf meinem Schiff angeboten.«
»Das hier ist meine Heimat«, erklärte ich matt. Nie hatte ich das so deutlich gespürt wie in diesem Moment. Ich hatte alles in dieses Schiff gelegt, alle glücklichen Momente, die ich je gehabt hatte, und all meine Hoffnungen. Mein Gefühl von Zugehörigkeit war untrennbar mit dem Schiff unter meinen Füßen verbunden. Und dann tröstete ich mich damit, dass ich wenigstens hier, auf der Aurora, meinem Zuhause, sterben würde.
»Sag mir nur eins noch, Junge, denn das möchte ich wirklich zu gerne wissen: Wie bist du aus der Grube entkommen?«
»Ich bin geflogen«, stieß ich wütend und voller Hass
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