Airborn 01 - Wolkenpanther
hatte viele schlimme, schlaflose Nächte durchlitten.
Ich vermisste meine Koje auf der Aurora, ich vermisste Baz, Kapitän Walken und die Mannschaft. Ich vermisste es, unterwegs zu sein. Und ich vermisste meinen Vater, schmerzlicher denn je. Es hatte viele Momente gegeben, in denen ich so einsam und verzweifelt gewesen war, dass ich das Studium aufgeben und auf die Aurora zurückkehren wollte. Doch dann hatte ich unerwartet eines Nachts von meinem Vater geträumt – obwohl ich immer noch an Land war. Ich flog neben der Aurora dahin und er war gekommen und hatte mich begleitet, und als ich an jenem Morgen aufwachte, war alles anders gewesen. Solange ich immer noch von ihm träumen konnte, wusste ich, dass alles gut werden würde. Ich brauchte nicht in der Luft zu sein, um mein Glück zu finden. Es würde mich finden, egal wo ich war – auf der Aurora, hier in Paris oder zu Hause bei meiner Mutter, Isabel und Sylvia.
»Das freut mich«, sagte Kate. Sie hätte es nicht sagen müssen, ihre Augen hatten es mir schon verraten: Sie freute sich wirklich für mich.
»Und was ist mit dir?«, fragte ich.
»Oh, ich amüsiere mich prächtig«, sagte sie. »Im Moment werde ich gefeiert und herumgereicht. Es gibt noch drei weitere Museen, die dieses Jahr mein Skelett ausstellen wollen.«
»Wenn das so weitergeht, wirst du irgendwann unausstehlich werden«, sagte ich.
»Vermutlich. Eigentlich wäre es gut, wenn du mich begleiten und mir ab und an den Kopf zurechtrücken würdest.«
»Und was halten deine Eltern von dem Ganzen?«
»Ich glaube, sie …« Ein wenig verwundert hielt Kate inne. »Weißt du, ich glaube, sie sind wirklich stolz auf mich.«
Ich lächelte. »Das ist doch gut.«
»Eine nette Abwechslung, nicht wahr? Sie haben mir erlaubt, nächstes Jahr auf die Universität zu gehen.«
»Das ist ja großartig!«
»Naja, ich glaube, sie wurden regelrecht dazu gezwungen, nach der ganzen Aufregung. Stell dir nur vor, was die Zeitungen schreiben würden, wenn herauskäme, dass mein ach so glänzendes Potenzial von meinen grausamen Eltern zunichte gemacht würde. Es würde meine Mutter gewaltig in Verlegenheit bringen.«
»Scheint, als würdest du alles kriegen, was du dir in den Kopf setzt«, sagte ich.
»Aber du auch«, erwiderte sie.
Wir stießen mit unseren Teetassen an.
»Auf uns«, sagte Kate. »Wir sind einfach fabelhaft.«
»Schau«, sagte ich und deutete zum Himmel. »Sie kommt gerade herein.«
»Das ist doch nicht die Aurora ?« , fragte Kate.
»Doch, sie ist es. Sie befindet sich gerade auf einem Transkontinentalflug. Bis in den Norden zum Sibirischen Meer und dann weiter nach San Francisco. Seit dem Herbst ist sie komplett überholt worden. Neue Motoren und neue Außenhülle.«
Wir schauten zu, wie sich das Schiff langsam drehte und dann an der Spitze des Eiffelturms anlegte, dessen Gipfel mit einem besonderen Ankermasten ausgestattet war. Nun wurde von der oberen Aussichtsplattform eine lange Leiter hochgekurbelt und am Bauch der Aurora eingehakt. Ich konnte die Passagiere aussteigen sehen.
Ich seufzte. »Ich hoffe nur, dass es eine freie Stelle auf ihr gibt, wenn ich hier fertig bin.«
»Kapitän Walken tut bestimmt alles, was in seiner Macht steht.«
Wir schwiegen eine Weile und wieder stieg die Verlegenheit in mir hoch. Auf der Insel oder dem Schiff hatten mir nie die Worte gefehlt wie in diesem Moment und ich ärgerte mich sehr darüber.
»Tut mir Leid, dass ich ihn so lange behalten habe«, sagte Kate auf einmal. Sie griff in ihre Handtasche und zog den Kompass meines Vaters hervor.
»Du hast ihn nicht in deine Unterwäsche gewickelt?«, fragte ich.
Sie errötete.
»Danke«, sagte ich und nahm ihn in Empfang. Als ich ihn wieder in der Hand hielt, merkte ich erst, wie sehr ich ihn vermisst hatte. Gleichzeitig tat es mir Leid, dass er nicht länger bei ihr war. Mir gefiel die Vorstellung, dass sie ihn hielt und beobachtete, wie sich die Nadel nach Norden drehte.
»Wir wollen doch nicht, dass du vom rechten Kurs abkommst«, sagte Kate.
Und auf einmal konnten wir wieder wie früher miteinander reden. Wir waren wieder Matt und Kate, die gemeinsam durch den Wald liefen, Farne aus dem Weg schlugen und nach teuflischen, kleinen roten Schlangen Ausschau hielten. Wir sprachen über die Aurora und die Piraten und die Insel. Keiner von uns erwähnte den Kuss im Wald, obwohl ich oft daran zurückgedacht hatte. Als ich sie ansah, hätte ich sie am liebsten wieder geküsst. Aber in ihrem
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