Airborn 01 - Wolkenpanther
worden war. Nur war diesmal keine Insel unter ihm, um ihn aufzufangen.
Komm schon. Flieg!
Irgendwie gelang es dem Wolkenpanther trotz der Behinderung, seinen Fall zu bremsen. Seine Flügel bewegten sich mit einem kräftigen Schlag erst nach oben, dann nach unten, und er gewann allmählich an Höhe. Noch lag er etwas schief in der Luft und hatte noch nicht herausgefunden, wie man die Richtung änderte oder geradeaus segelte.
Doch der Wolkenpanther flog.
Er stieg von der Aurora in die Höhe, probierte seine Flügel aus und übte sich in diesem neuen Spiel namens Fliegen. Er zog ein paar unbeholfene Kreise und gewann von Sekunde zu Sekunde an Sicherheit. Ich lachte und weinte zugleich, und wahrscheinlich war ich vor Schmerzen und weil mein Tod immer näher rückte, verrückt geworden. Trotzdem war ich nicht länger traurig oder ängstlich. Es tat so gut, den Wolkenpanther fliegen zu sehen, endlich wieder in seinem Element. Er war nicht dazu geboren, an Land zu leben. Ich hielt meinen Blick auf den Panther gerichtet, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Dann schloss ich lächelnd die Augen und legte mein Gesicht auf die kühle Haut des Schiffs, um meine fiebrige Wange zu kühlen. Ich wollte nur noch schlafen. Aber durch die Schiffshülle hörte ich ein dröhnendes Poltern, das stetig lauter wurde.
Benommen öffnete ich die Augen und entdeckte erschrocken, dass Szpirglas auf mich zukam. Er hatte ein Sicherheitsseil entdeckt und sich damit an der Schiffsflanke zur mir herabgelassen. Nun kauerte er vor mir und kroch langsam auf das Höhenruder zu, an dem ich hing.
Warum macht er das nur, fragte ich mich verzweifelt. Ich werde doch sowieso gleich fallen.
Vorsichtig kam er immer näher, während er sich mit einer Hand am Sicherheitsseil hielt.
»Wenn ich dir den Rücken zudrehe«, rief er mir zu, »tauchst du vielleicht wieder auf, um mich zu ärgern!«
Er trat mit dem Stiefel auf meine Finger. Sie waren schon so taub, dass ich den Schmerz nicht spürte. Irgendwie klammerte ich mich weiter an die Metallstrebe.
»Lass los, Junge! Oder muss ich dich erst völlig vernichten?«
»Sie werden mich nie vernichten können«, sagte ich.
Mit letzter Kraft rollte ich zur Seite und schwang meine Beine hart gegen seine Füße. Überrascht von diesem Manöver, verlor er das Gleichgewicht und landete auf den Knien. Das Messer sprang aus seiner Hand und wurde vom Wind davongeweht und auch das Sicherheitsseil wurde ihm mit einem Ruck aus der Hand gerissen. Langsam rutschte er von der Flosse. Ungläubig dachte ich zuerst, ich hätte ihn besiegt. Doch im letzten Moment gelang es ihm, das Seil wieder zu packen. Er zog sich hoch und kam auf mich zu. Die Wut in seinem Gesicht war schrecklich anzuschauen. Sein gestiefelter Fuß holte aus und …
Etwas flog dicht über ihn hinweg, ein heller Pelz, ein riesiger Flügel. Ich blinzelte und erblickte über mir einen Himmel voller Schwingen. Dutzende und Aberdutzende von Wolkenpanthern flogen um das Schiff herum – auf dem Weg zur Insel. Sie schwebten dicht über dem Rückgrat der Aurora, kreisten um ihre Flanken und strichen unter ihrem Bauch hinweg, als hätte dieses riesige Flugobjekt ihre Neugier geweckt.
Szpirglas musste das erstaunte Leuchten in meinen Augen gesehen haben, denn er hob ebenfalls den Kopf. Eine große Schar der Tiere glitt über die Flossen des Schiffs hinweg, und als sie an uns vorbeikamen, konnte ich den Wind ihrer mächtigen Flügel spüren. Aus Freude über ihre wilde Schönheit lachte ich laut auf. Es waren so viele von ihnen! Das war es, was Kates Großvater von seinem Ballon aus gesehen haben musste. »Keine Vögel«, hatte er geschrieben. »Wunderschöne Geschöpfe.«
Einer der Wolkenpanther flog etwas tiefer heran als die übrigen und streifte mit seinen Hinterklauen – vermutlich sogar unbeabsichtigt – Szpirglas an der Schulter. Er rutschte aus und schlitterte kopfüber die Höhenflosse hinab. Das Sicherheitsseil wurde ihm aus der Hand gerissen und diesmal bekam er es nicht wieder zu fassen. Er brüllte und versuchte noch, sich an den Rand der Flosse zu klammern, doch es war zu spät.
Er trudelte durch den Himmel zum Meer.
Und ich dachte: Sein Junge. Sein armer Junge.
Die Wolkenpanther sahen ihn und stürzten sich im Sturzflug auf ihn, Raubtiere auf der Jagd nach ihrer Beute. Einer packte ihn mit seinen Klauen und hielt ihn kurz fest, ehe er ihn wieder fallen ließ, während ein anderer einen Bissen aus seinem Hals riss. Und so warfen sie Szpirglas
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