Airborn 01 - Wolkenpanther
für fliegende Raubkatzen. Es machte mich traurig.
Ich wusste nicht genau, ob der Albatros überhaupt bemerkte, dass ich ihn aus meiner Kuppel heraus beobachtete. Er hatte sich auf der Aurora niedergelassen. Mit gefalteten Flügeln wirkte er längst nicht mehr so groß, man konnte sich seine riesige Spannweite eigentlich gar nicht mehr vorstellen. Ich wollte ihn nicht erschrecken, aber ich wollte ihn auch nicht auf unserem Schiff sitzen haben, weil ich fürchtete, er könnte mit seinen spitzen Krallen ein Loch in unsere Hülle reißen.
Ich klopfte laut an das Glas.
Der Vogel reckte den Hals und drehte den Kopf ein kleines Stück zur Seite.
Wieder klopfte ich an die Scheibe. Diesmal steckte der Vogel lediglich den Kopf in sein Gefieder und machte es sich für ein Nickerchen bequem. Wahrscheinlich war er froh, nicht mehr selbst fliegen zu müssen. Bestimmt war er völlig erschöpft, so weit draußen über dem Ozean. Nun hatte er es sich gemütlich gemacht und sein Federkleid sah kein bisschen zerzaust aus, obwohl hier oben auf dem Schiff eine steife Brise wehte.
»Komm schon, verzieh dich!«, rief ich und schwenkte die Arme.
Völlig unbeeindruckt schaute mich das Tier an.
Von einem Vogel ignoriert zu werden, selbst von einem so großen wie einem Albatros, konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Ich wollte ihn unbedingt verscheuchen, allerdings mit Vorsicht. Ein Luftmann vermied es unter allen Umständen, einen Albatros zu verletzen. Es kursierten zahllose Geschichten darüber, wie derjenige, der einem Albatros Schaden zufügte, vom Pech verfolgt wurde. »Die sehr lange Ballade vom ehrwürdigen Seemann« war eine davon. Die Kerle in dieser Geschichte schossen einen Albatros und kochten ihn zum Abendessen, woraufhin sie nur noch Pech hatten.
Ich nahm das Sprachrohr.
»Hier Krähennest.«
»Ja, Cruse?«
Rideau, der Erste Offizier, hatte Dienst. Was war ich doch für ein Glückspilz.
»Sir, oben auf dem Schiff ist ein Albatros gelandet. Ich habe versucht, ihn davonzujagen, aber er will sich nicht vertreiben lassen. Er sitzt ganz in der Nähe vom Krähennest. Bitte um Erlaubnis, die Luke zu öffnen und ihn verscheuchen zu dürfen.«
»In Ordnung. Aber treffen Sie bitte die nötigen Sicherheitsmaßnahmen. Und melden Sie sich, wenn Sie fertig sind.«
»Sehr wohl, Sir.«
Vorsichtig öffnete ich den Riegel an der Luke und setzte meine Schutzbrille auf. Ich befestigte eine Sicherheitsleine an meinem Gürtel und klappte den gewölbten Glasdeckel zurück. Der Wind peitschte mir ins Gesicht, und ich drehte den Kopf leicht zur Seite, damit ich atmen konnte. Die Bewegung der Luke hatte den Albatros veranlasst, überrascht aufzustehen. Als er meinen Kopf und meine Schultern aus dem Krähennest auftauchen sah, wich er ein wenig zurück.
»Mach schon, verzieh dich, Kumpel!«, brüllte ich in den Wind, der meine Worte sofort wieder zu mir zurückschleuderte. Der Vogel konnte mich gewiss nicht hören. Also schwenkte ich wie wild die Arme über dem Kopf.
Dieses Vieh war wirklich stur.
Ich würde ihm zeigen, wer hier das Sagen hatte, auch wenn er im aufgerichteten Zustand alles andere als ein Zwerg war. Sein Kopf reichte mir bis zur Taille, und ich hatte keine Lust, nähere Bekanntschaft mit seinem scharfen Schnabel zu machen.
Ich kletterte auf den breiten Rücken der Aurora. Hier oben traf mich der Wind mit voller Wucht. Am Rückgrat des Schiffs zog sich ein Halteseil entlang, an das ich mich nun mit einer Hand klammerte. Gleichzeitig kauerte ich mich mit gesenktem Kopf nieder, damit der Wind über meinen Kopf und meine Schultern hinwegblies, anstatt mich frontal an der Brust zu treffen.
Ich tat einige Schritte auf den Vogel zu, der mit drohend erhobenen Flügeln ein Stück zurückwich. Ich bewunderte seinen Mut. Wollte er mich etwa das ganze Schiff entlang bis zum Bug locken, um festzustellen, wer besser fliegen konnte? Ich hatte keine Angst davor, abzustürzen, denn vor Höhen war mir noch nie Bange gewesen. An einer ausgiebigen Partie »Fang den Albatros« hatte ich trotzdem kein Interesse.
Am Ende zog ich meine bösartigste Grimasse und stürzte auf ihn zu, worauf er seine beeindruckenden, zweieinhalb Meter breiten Flügel öffnete und sich in die Luft schwang. Ich blickte ihm einen Augenblick lang nach, bis er in einer scharfen Kurve gen Osten verschwand und meinen Blick auf etwas anderes dort draußen am Nachthimmel lenkte.
Diesmal war es ein Luftschiff, noch recht weit entfernt, das jedoch direkt auf
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