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Airborn 02 - Wolkenpiraten

Titel: Airborn 02 - Wolkenpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Im Gegenteil. Ich glaube, dass ein Mann, dem kein Glück beschieden ist, der aber das Beste daraus macht, besonders hoch zu schätzen ist.«
    »Gilt dasselbe auch für Frauen?«, erkundigte sich Kate.
    »Wenn ich Männer sage, meine ich natürlich auch Frauen.«
    »Ich finde es besser, das deutlich zu sagen«, bemerkte Kate.
    »Vollkommen verständlich, Miss de Vries.«
    »Danke, Mr Slater.«
    Jede dieser Liebenswürdigkeiten, die sie austauschten, war wie ein Pflock, der in meine Brust getrieben wurde. Ich hätte verschwinden sollen, aber ich konnte nicht. Meine Füße waren wie an den Boden genagelt. Ich war ebenso wenig in der Lage, mich zu bewegen, wie der Eiffelturm.
    »Jedenfalls«, sagte Slater, »habe ich das Wort Frauen viel lieber auf den Lippen.«
    Mit eiskaltem Entsetzen sah ich, wie er sich zu ihr niederbeugte. Es war klar, gleich würde er sie küssen. Kate konnte ich nicht sehen, denn Slater versperrte mir die Sicht.
    Wie aus weiter Ferne hörte ich eine Tür aufgehen, und jemand musste die Bibliothek betreten haben, denn Slater stand wieder aufrecht da und drehte sich mit einem charmanten Lächeln um.
    »Ah, Miss Simpkins, wir haben uns schon gefragt, wann Sie sich wieder zu uns gesellen würden.«
    »Ich war nur auf der Suche nach meinem Buch«, sagte Miss Simpkins mit einer mädchenhaften, etwas schüchternen Stimme, die ich noch nie bei ihr gehört hatte. »Ich muss es doch hier gelassen haben. Ah, da ist es ja.«
    »Ich wundere mich immer wieder, wie viele Bücher du gleichzeitig liest, Majorie«, hörte ich Kate trocken sagen. Ihr Gesicht konnte ich immer noch nicht sehen, aber ich konnte mir vorstellen, dass sie leicht lächelte, während sie ihre Anstandsdame anschaute.
    »Wirklich, ihr zwei«, sagte diese, »es ist bereits ziemlich spät.«
    »Ja, ich müsste auch schon längst weg sein«, meinte Mr Slater und blickte Kate mit funkelnden Augen an. Lachend fügte er hinzu: »Ich fürchte, Miss Simpkins hält mich für einen nicht respektablen Freier.«
    »Aber nein, überhaupt nicht«, sagte Miss Simpkins und schob sich in mein Blickfeld. Auf den Wangen hatte sie hektische rote Flecken und sie wirkte ziemlich nervös. »Sie gehören ohne Zweifel zu den höchst achtbaren Menschen. Es ist so ein Jammer, dass meine Kate eine Vorliebe für eher zwielichtige Burschen hat.«
    »Tatsächlich?«, meinte Mr Slater. »Wie faszinierend.«
    »Bitte, Majorie.« Kate klang verärgert.
    »Sie mag Kabinenstewards«, sagte Miss Simpkins kichernd.
    Mr Slater lachte. »Oh, das muss der berühmte Matt Cruse sein, der Junge von der Aurora .« Er sagte das nicht spöttisch, aber der Hauch von Belustigung in seiner Stimme gefiel mir nicht. »Von dem sind Sie wohl ziemlich angetan, Miss de Vries, nicht wahr?«
    Kate gab keine Antwort. Noch immer konnte ich ihr Gesicht nicht sehen. Mein Herz dröhnte mir in den Ohren. Nach einem kurzen Moment drehte ich mich um und ging.
    Auf halber Treppe kam ich an Deirdre vorbei, die mich erschrocken anblickte.
    »Monsieur, das ist nicht in Ordnung!«
    »Nein, das ist überhaupt nicht in Ordnung!«, sagte ich bitter.
    Ich stürmte durch die Haustür auf die Straße. Inzwischen regnete es stark und ich rannte über den Quai de Baudelaire auf die aufragende dunkle Masse von Notre-Dame zu. Ich hatte kein Ziel im Sinn, ich rannte einfach immer weiter, bog um Ecken und lief über Brücken, die ich mit meinem verschwommenen Blick kaum wahrnahm. Ziemlich durchnässt stieg ich auf dem linken Ufer die Treppe hinab und fand unter einer Brücke einen trockenen Platz. Mir war kalt. Der Wind spielte auf den Trägern und Kabeln unter der Brücke Fagott. Lange starrte ich einfach nur in das dunkle Wasser, das wie Quecksilber in die Höhlen der Hölle strömte.
    In meinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Was trieb sie mit diesem Mann? Wie lange kannte sie ihn schon? Sie schienen sehr vertraut miteinander zu sein. Sie hatte ihn angelacht. Vielleicht hatte sie ihn sogar berührt oder auch schon einmal geküsst. Allein bei der Vorstellung tobte ich innerlich in rasender Wut. Slater war groß und attraktiv und, wie es aussah, auch noch reich.
    Früher war ich Kabinensteward gewesen, jetzt war ich Student. Reich würde ich nie sein. Wenn ich jemals die Abschlussprüfungen der Akademie schaffen sollte, war das Höchste, was ich erwarten konnte, das Gehalt eines Offiziers – ein Jahresgehalt wäre gerade so viel, wie die Teppichvorleger in Kates Wohnung kosteten. Sie schämte sich wegen mir.

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