Airborn 02 - Wolkenpiraten
umgebauten Hangar und drinnen herrschte ein Getümmel wie an der Börse. Hunderte von Angestellten waren fieberhaft dabei, ankommende und abfliegende Schiffe aus der ganzen Welt zu lotsen, Zollbeamte kontrollierten Fracht und Papiere, Schiffsoffiziere verhandelten über die Liegegebühren und füllten Arbeitsverträge aus. Hier schien es keine festen Verfahrensweisen zu geben, und ich fragte mich, wie ich Nadira in diesem ganzen Durcheinander jemals finden sollte.
Ich bahnte mir einen Weg zu der großen Wand, an der die aktuellen Informationen aushingen. Hier konnte man den Namen eines jeglichen Schiffs finden, das sich im Flughafen befand, außerdem Angaben zum Kapitän, der Fracht, dem Liegeplatz, der Größe der Motoren. Ich wusste genau, wonach ich suchte: nach einem starken Schlepper, der die Hyperion zurück zur Erde ziehen konnte. Doch keine der ausgehängten Informationen gab Auskunft darüber, ob das jeweilige Schiff in der Lage war, besonders hoch zu fliegen. Ich hatte auch meine Zweifel, ob wir überhaupt solch ein Schiff finden würden.
»Ich hab da gerade einen interessanten Tipp bekommen«, sagte Nadira plötzlich neben mir.
Kein Hallo, kein Anzeichen von Erleichterung, dass ich tatsächlich aufgetaucht war. Die Hosen und der Ledermantel waren verschwunden. Sie hatte sich in einen wunderschönen orangen Sari gehüllt und sah darin umwerfend aus.
»Du warst ja schon ganz schön fleißig«, murmelte ich.
»Es gab keinen Grund zu warten. Ich wusste ja nicht, ob du kommst. Da ist ein Schiff auf Platz 32.«
»Ein Schlepper?«, fragte ich.
»Ein Bergungsschiff. Es hätte eine Art Rekord für einen Flug über den Wolken aufgestellt, hat der Lotse gesagt.«
»Wirklich?« Ich traute mich kaum, das zu glauben.
»Laut den Schiffsnachrichten«, meinte Nadira, »hat es für diese Woche keinen Auftrag. Und der Name ist auch viel versprechend.«
»Wie heißt es?«
» Sagarmatha «, sagte Nadira. »Das ist Nepalesisch und bedeutet …«
»Everest. Ich weiß.«
»Wir sollten es uns mal ansehen.«
Nadira kannte sich offenbar gut aus, und ich fragte mich, wie viel Zeit sie schon im Umkreis von Flughäfen und Luftschiffen zugebracht hatte. Jedenfalls schien sie keine Angst davor zu haben, auf Dachfirsten herumzuturnen. Ich erinnerte mich daran, wie sie über die Schieferschindeln runtergeschlittert war, sich um die Wetterfahne hatte herumwirbeln lassen und dann durch das Dachfenster geschossen war. Beeindruckend!
Wir ließen die strudelnde Menge im Büro des Hafenmeisters hinter uns und gingen zum Anlegemast 32.
»Hast du schon überlegt, wie du die Charter bezahlen willst?«, fragte ich.
»Nein.«
Ich blieb stehen. »Was stellst du dir denn vor?«
»Wir bieten dem Kapitän einen Anteil an.«
Das war sicherlich besser, als alle meine Ersparnisse dafür auszugeben.
»Wie groß soll der Anteil sein?«, fragte ich.
»Ich hab gedacht, du bist nicht an Geld interessiert«, bemerkte sie.
»Ach, ich hab’s mir anders überlegt.«
»Ich denke an fünfzig Prozent«, sagte sie.
Das schien mir nicht übertrieben, da er das Schiff stellen, den Treibstoff besorgen und ein gewaltiges Risiko tragen musste.
»Und wie willst du den Rest aufteilen?«, fragte ich.
»Halb und halb.«
»In Ordnung.« Wenn da wirklich Millionen an Bord waren, wie jeder zu glauben schien, würde es für alle reichen. »Aber ich will alle Präparate.«
»Alle was?«, fragte sie.
»Tote Tiere, ausgestopft.« Ich räusperte mich. »Anscheinend hatte Grunel eine ziemlich große Sammlung davon an Bord.«
»Kannst du gerne haben«, sagte sie.
»Danke. Wir müssen vorsichtig sein und ganz sichergehen, dass wir dem Kapitän und seiner Mannschaft trauen können. Der Schlüssel an deinem Hals ist schnell gestohlen.«
»Nur über meine Leiche, ganz wörtlich.«
»Das ist für die wahrscheinlich kein Problem«, meinte ich.
»Und was ist mit dir? Was soll sie daran hindern, dich bei zehntausend Fuß aus der Ladeluke zu schmeißen, wenn du die Koordinaten erst einmal angegeben hast?«
Ich überlegte kurz. »Das wäre jedenfalls ein furchtbar schlechtes Benehmen.«
Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich glaubte, sie lächelte. »Dann müssen wir eben jemand mit tadellosem Benehmen auftreiben.«
Liegeplatz 32 befand sich im Inneren des neuen Heliodroms an der nördlichen Seite des Flughafens. Ganz Paris war über das Heliodrom in heller Aufregung, denn es war erst vor kurzem offiziell als das größte von Menschenhand errichtete Bauwerk
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