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Airborn 02 - Wolkenpiraten

Titel: Airborn 02 - Wolkenpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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erklärte sie dann bei meinem ersten Besuch. »Einfach ein Ort, an dem ich meinen Kopf ausruhen kann, solange ich an der Sorbonne studiere.« Viele Leute hätten hier ihren Kopf ausruhen können. So um die neunundvierzig, schätzte ich.
    »Wenn Monsieur hier warten mögen, will ich schauen, ob Mademoiselle de Vries heute Abend Besuch empfängt.«
    »Sehr freundlich von Ihnen«, sagte ich auf Französisch, war mir aber nicht sicher, ob der Satz nicht eine ganz andere Bedeutung haben mochte. Ich wusste nie, welcher Buchstabe betont werden musste. Zu meinem Glück wurde der Unterricht an der Akademie auf Englisch gehalten, der internationalen Sprache der Luftfahrt.
    Gerade als Deirdre die Treppe hochsteigen wollte, stürmte ein anderes Mädchen aus einer Tür und sprach voller Empörung, aber so schnell auf Deirdre ein, dass ich absolut nicht herausbringen konnte, worum es ging. Klar war lediglich, dass in der Küche etwas Unerfreuliches vorgefallen war.
    »Bitte warten Sie«, sagte Deirdre zu mir und verschwand.
    Ich wartete eine Minute und dann noch eine und fragte mich, ob man mich wohl vergessen hatte. Ich könnte in die Küche gehen und Deirdre daran erinnern, dass ich immer noch hier war, doch wozu die Mühe? Ich wusste, wo Kate um diese Uhrzeit sein würde. Eine Treppe höher in ihrer geliebten Bibliothek.
    Die große Treppe aus Walnussholz führte in elegantem Schwung nach oben. Meine Schritte wurden von orientalischen Läufern gedämpft. Auf halbem Weg fiel mir ein, dass es vielleicht doch nicht so klug war, alleine nach oben zu gehen. Wenn ich Miss Simpkins über den Weg liefe, würde sie mich beschuldigen, ohne Begleitung im Haus herumzuschleichen. Aber nun war es zu spät, und ich konnte die Tür der Bibliothek bereits sehen, die nur angelehnt war und etwas Licht in den Flur fallen ließ.
    Als ich näher kam, hörte ich Stimmen. Eine davon, das war sicher, gehörte weder zu Miss Simpkins noch zu Kate. Ich spähte durch den Türspalt.
    Ein Herr befand sich in der Bibliothek. Er hatte mir den Rücken zugewandt, doch er sah groß und kräftig aus, eindrucksvoll in Anzug und blank polierten Lederschuhen. Die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, betrachtete er einen Glaskasten, in dem sich irgendeine zoologische Besonderheit befand, die Kate in Paris gekauft haben musste.
    »Miss de Vries, diese Kreatur bietet einen widerwärtigen Anblick.«
    »Unsinn«, sagte Kate, die ganz in seiner Nähe in einem Sessel beim Kamin saß. Ich konnte sie von der Seite sehen. Das Blut war ihr in die Wangen gestiegen, und ich hoffte, dass dies nur von der Wärme des kräftig flackernden Feuers kam. »Das ist ein Beuteltier, Mr Slater. Ein Vetter des Kängurus. Stören Sie sich vielleicht an den Zähnen?«
    »Es ist einfach nur scheußlich«, sagte er. »Es erinnert mich an meine Tante.«
    Nun lachte Kate ein glockenhelles Lachen, das mich wie ein kalter Wasserguss traf. Ich hatte gedacht, dieses Lachen würde nur mir gehören. Sie hatte nicht das Recht, es auch für einen anderen erklingen zu lassen. Und diesen Mr Slater hatte ich sie bisher nie erwähnen hören.
    »Was für eine vielseitige junge Dame Sie doch sind, Miss de Vries«, sagte er zu ihr gewandt.
    Er war wirklich ein flotter Kerl, vielleicht Anfang zwanzig, jedenfalls bestimmt älter als ich. Er gab das Bild eines feinen Herrn ab, während ich immer noch wie ein Junge aussah. Ich versuchte auszumachen, ob Miss Simpkins bei ihnen im Zimmer war. Wieso in aller Welt waren sie alleine?
    »Und was ist mit Ihnen, Mr Slater?«, fragte Kate. »Ihre Talente sind doch nun wirklich sehr beeindruckend.«
    Zu hören, wie sie ihn so herzlich lobte, ließ meinen Mund vor Eifersucht und Empörung trocken werden.
    »Ach«, sagte Slater und versuchte bescheiden zu klingen, aber seine Freude war unüberhörbar, »so viel von dem, was uns widerfährt, beruht einfach nur auf Glück. Oder wie sehen Sie das?«
    Er trat neben ihren Sessel und legte die Hand auf die Rückenlehne.
    »In diesem Fall stimme ich Ihnen nicht zu«, meinte Kate. »Ich glaube, wir sorgen selbst für unser Glück.«
    Nachdenklich spitzte er den Mund und ließ ein leises, männliches Lachen hören. »Eine ausgezeichnete Überlegung, sicher. Aber die Möglichkeiten fließen wie ein Fluss durch unser Leben, und auf Überraschungen gefasst zu sein, ist das Einzige, was wir machen können.«
    »Wie fatalistisch«, sagte Kate.
    »Ganz und gar nicht. Ich sage doch nicht, dass wir keine Kontrolle über unser Leben hätten.

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