Airframe
Sanitäter, die die Leiche festhielten, starrten Doherty an. »Können wir ihn herausschneiden, Sir?« fragte einer von ihnen.
Doherty betrachtete immer noch konzentriert die Stelle. »Was? Ach ja, klar. Schneiden Sie ihn raus.«
Er trat zurück, und die Sanitäter begannen, die Stelle mit einem großen metallenen Rettungsspreizer zu bearbeiten. Sie klemmten die Backen zwischen Gepäckfächer und Deckenverkleidung und öffneten sie. Mit lautem Krachen brach das Plastik auseinander.
Doherty wandte sich ab. »Ich kann nicht zusehen«, sagte er. »Ich kann nicht zusehen, wie sie mein schönes Flugzeug kaputtmachen.« Er ging wieder nach vorne. Die Sanitäter starrten ihm nach.
Richman sah verlegen aus, als er zurückkam. Er zeigte zum Fenster hinaus. »Was tun die Männer da auf dem Flügel?«
Casey bückte sich und sah durch die Fenster zu den Ingenieuren auf dem Flügel hinaus. »Sie untersuchen die Slats«, sagte sie. »Die ausfahrbaren Vorderflügel.«
»Und was bewirken diese Slats?«
Sie werden mit ihm ganz von vorne anfangen müssen.
»Was wissen Sie über Aerodynamik?« fragte Casey. »Nichts? Nun, ein Flugzeug fliegt wegen der Form des Flügels.« Der Flügel sehe so einfach aus, erklärte sie, sei aber in Wirklichkeit die komplizierteste mechanische Komponente des Flugzeugs und erfordere die längste Bauzeit. Im Vergleich dazu sei der Rumpf etwas ganz Einfaches, nur eine Reihe von aneinander-genieteten Röhren. Und das Leitwerk - der Schwanz - sei nur eine feste vertikale Flosse mit Steuerflächen. Aber der Flügel sei ein Kunstwerk. Obwohl sechzig Meter lang, sei er unglaublich stabil und in der Lage, das Gewicht des ganzen Flugzeugs zu tragen. Zugleich aber sei er bis auf einen Zehntelmillimeter präzise geformt.
»Die Form«, sagte Casey, »ist das Wesentliche: Er ist an der Oberseite gewölbt, an der Unterseite flach. Das bedeutet, daß die Luft sich über die Oberseite schneller bewegen muß, und gemäß der Bernoullischen Gleichung… «
»Ich habe Jura studiert«, erinnerte er sie.
»Nach der Bernouillischen Gleichung ist der Druck eines Gases um so geringer, je schneller es sich bewegt. Deshalb ist der Druck in einer Strömung geringer als in der sie umgebenden Luft«, sagte Casey. »Da die Luft sich über die Oberseite des Flügels schneller bewegt, entsteht ein Unterdruck, der den Flügel nach oben saugt. Und da der Flügel stark genug ist, um den Rumpf zu tragen, hebt sich das ganze Flugzeug in die Höhe. Deshalb fliegt ein Flugzeug.«
»Verstanden.«
»Okay. Zwei Faktoren bestimmen, wieviel Auftrieb erzeugt wird - die Geschwindigkeit, mit der sich der Flügel durch die Luft bewegt, und der Krümmungsgrad. Je größer die Krümmung, desto stärker der Auftrieb.«
»Okay.«
»Wenn der Flügel sich schnell bewegt, also während des Fluges, sagen wir bei Mach null Komma acht, ist nicht viel Krümmung nötig. Genaugenommen sollte der Flügel da beinahe flach sein. Aber wenn das Flugzeug sich langsamer bewegt, bei Starts und Landungen, braucht der Flügel mehr Krümmung, um stärkeren Auftrieb zu erzeugen. Deshalb erhalten zu diesen Zeiten die Flügel eine stärkere Krümmung, indem bestimmte Teile an der Vorder-und der Rückseite nach unten ausgefahren werden können - Klappen an der Rückseite und Slats an der Vorderkante.«
»Slats sind also wie Klappen, aber an der Vorderseite?«
»Genau.«
»Mir sind die noch nie aufgefallen«, sagte Richman und sah zum Fenster hinaus.
»Kleinere Maschinen haben keine«, sagte Casey. »Aber dieses Flugzeug wiegt voll beladen fast eine Dreiviertelmillion Pfund. Bei einer Maschine dieser Größe braucht man Slats.«
Während sie zusahen, wurde die erste der Slats ausgefahren und bewegte sich dann nach unten. Die Männer auf dem Flügel steckten ihre Hände in die Hosentaschen und sahen zu.
Richman fragte: »Warum sind diese Slats so wichtig?«
»Weil einer der möglichen Gründe für Turbulenzen«, erwiderte Casey, »ein Ausfahren der Slats während des Flugs ist. Vergessen Sie nicht, bei Reisegeschwindigkeit sollte der Flügel beinahe flach sein. Wenn die Slats ausgefahren werden, kann das Flugzeug instabil werden.«
»Und was könnte dieses Ausfahren der Slats verursachen?«
»Ein Pilotenfehler«, sagte Casey. »Das ist die übliche Ursache.«
»Aber angeblich hatte dieses Flugzeug doch einen sehr guten Piloten.«
»Richtig. Angeblich.«
»Was ist, wenn es kein Pilotenfehler war?«
Sie zögerte. »Es gibt einen Zustand, den die
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