Airframe
sich wieder zum Fenster um. Marder verließ das Büro.
9 Uhr 48
LAX Wartungshangar 21
Der blaue Minibus überquerte die Rollbahn und fuhr auf die Reihe der Wartungshangars auf dem Los Angeles Airport zu. Aus der Rückseite des nächstgelegenen Hangars ragte das gelbe Heck des TransPacific-Großraumjets, sein Emblem glänzte in der Sonne.
Die Ingenieure redeten wild durcheinander, sobald das Flugzeug in Sicht kam. Der Minibus rollte in den Hangar und blieb unter einem der Flügel stehen; die Ingenieure stiegen aus. Das RAMS-Team war bereits bei der Arbeit: ein halbes Dutzend Mechaniker, die, mit Gurten gesichert, auf allen vieren auf dem Flügel herumkrochen.
»Na, dann mal los!« rief Burne und kletterte eine Leiter zum Flügel hoch. Bei ihm klang das wie ein Schlachtruf. Die anderen Ingenieure folgten ihm. Doherty war der letzte; mit deprimierter Miene kletterte er die Leiter hoch.
Casey stieg mit Richman aus dem Bus. »Sie gehen alle direkt zum Flügel«, stellte Richman fest.
»Ja. Der Flügel ist der wichtigste Teil eines Flugzeugs und die komplizierteste Konstruktion. Zuerst sehen sie sich den an, und erst dann kommt die Inspektion des Innenraums. Hier entlang.«
»Wohin gehen wir?«
»Hinein.«
Casey lief zielstrebig zur Nase und stieg eine fahrbare Treppe zur vorderen Kabinentür knapp hinter dem Cockpit hoch. Am Eingang wehte ihr der ekelerregende Geruch von Erbrochenem entgegen.
»O Gott«, sagte Richman hinter ihr.
Casey ging hinein.
Sie wußte, daß der vordere Teil der Kabine am wenigsten beschädigt sein würde, aber auch hier waren einige der Rückenlehnen kaputt.
Armstützen hatten sich losgerissen und ragten in die Gänge. Gepäckfächer waren aufgeplatzt, die Klappen hingen nach unten. Sauerstoffmasken baumelten von der Decke, einige fehlten. Auf dem Teppich und an der Decke waren Blutspritzer, Lachen von Erbrochenem auf den Sitzen.
»Mein Gott«, sagte Richman und hielt sich die Nase zu. »Das alles ist wegen ein paar Turbulenzen passiert?«
»Nein«, antwortete Casey. »Mit ziemlicher Sicherheit nicht.«
»Aber warum hat dann der Pilot…«
»Das wissen wir noch nicht«, sagte sie.
Casey ging zum Cockpit. Die Tür hing offen, das Flugdeck machte einen normalen Eindruck. Nur die Logbücher und die anderen Unterlagen fehlten. Ein winziger Babyschuh lag auf dem Boden. Als sie sich zu ihm hinunterbückte, entdeckte sie einen verbeulten schwarzen Metallkasten, der unter der Cockpittür eingeklemmt war. Eine Videokamera. Sie zog die Kamera heraus, und sie zerbrach in ihren Händen, ein Gewirr von Platinen, silberfarbenen Motoren und Schlaufen von Magnetband, das aus einer zerbrochenen Kassette hing. Sie drückte Richman alles in die Hand.
»Was soll ich damit tun?«
»Aufheben.«
Casey ging nach hinten. Sie wußte, daß es im Heck schlimmer sein würde. Schon jetzt konnte sie sich langsam ein Bild von dem machen, was auf diesem Flug passiert sein mußte. »Eins steht außer Frage: Dieses Flugzeug hat heftige Oszillationen durchgemacht. Das heißt, daß es mit der Nase stark nach oben und unten gekippt ist«, erklärte sie.
»Woher wissen Sie das?« fragte Richman.
»Weil das der Grund ist, warum die Passagiere sich übergeben. Gieren und Rollen können sie aushalten, aber beim Nicken müssen sie brechen.«
»Warum fehlen viele Sauerstoffmasken?« fragte Richman.
»Die Leute haben sie im Fallen heruntergerissen«, sagte sie. Es konnte nur so passiert sein. »Und die Rückenlehnen sind kaputt - wissen Sie, wie viel Kraft man braucht, um einen Flugzeugsitz zu zerstören? Sie sind so konstruiert, daß sie einer Belastung von sechzehn G standhalten. Die Leute wurden in dieser Kabine durcheinandergewirbelt wie Würfel in einem Becher. Und dem Schaden nach zu urteilen, muß es eine ganze Weile gedauert haben.«
»Wie lange?«
»Mindestens zwei Minuten«, sagte sie und dachte: Eine Ewigkeit für einen solchen Vorfall.
Sie gingen an einer ruinierten Bordküche mittschiffs vorbei und betraten die Mittelkabine. Hier war der Schaden noch viel größer. Viele Sitze waren kaputt. Eine breite Blutschliere zog sich die Decke entlang. Die Gänge waren mit Schuhen, zerrissenen Kleidern und Kinderspielzeugen übersät.
Eine Reinigungsmannschaft in blauen Uniformen mit der Aufschrift Norton IRT sammelte persönliche Habseligkeiten ein und steckte sie in große Plastiktüten. Casey wandte sich an eine Frau. »Haben Sie Kameras gefunden?«
»Bis jetzt fünf oder sechs«, sagte die Frau. »Ein
Weitere Kostenlose Bücher