Airframe
Uhr 15
Vor Hangar 5
Auf dem Weg über den Parkplatz zog sie ihr Handy aus der Tasche und rief Marder an. Eileen, seine Sekretärin, sagte, er sei in einer Besprechung.
»Ich habe eben mit Jack Rogers gesprochen«, sagte Casey. »Ich glaube, er plant einen Artikel darüber, daß wir den Flügel nach China auslagern und daß es Streit auf der Chefetage gibt.«
»Oh-oh«, sagte Eileen. »Das ist nicht gut.«
»Edgarton sollte besser mit ihm reden und die Sache aus der Welt schaffen.«
»Edgarton redet nicht mit der Presse«, sagte Eileen. »John wird um sechs zurück sein. Wollen Sie dann mit ihm reden?«
»Ist wohl besser, ja.«
»Ich notiere Sie«, sagte Eileen.
10 Uhr 19
Materialprüfung
Das Gelände sah aus wie ein Flugzeug-Schrottplatz; alte Rümpfe, Schwänze und Flügelteile standen auf rostigen Gestellen herum. Aber die Luft war erfüllt vom Rattern von Kompressoren, und Unmengen von Leitungen und Röhren liefen zu den Flugzeugteilen, wie Infusionsschläuche zu einem Patienten. Das war die Abteilung Materialprüfung, auch als Folterkammer bekannt, das Reich des berüchtigten Amos Peters.
Casey entdeckte ihn rechts hinten, eine gebückte Gestalt in Hemdsärmeln und Flatterhose, die unter der hinteren Rumpfsektion eines Norton-Großraumjets vor einem Druckerterminal stand.
»Amos«, rief sie und winkte, während sie auf ihn zuging.
Er drehte sich um und sah flüchtig in ihre Richtung. »Verschwinden Sie.«
Amos war eine Legende bei Norton. Er war verschlossen und halsstarrig und beinahe siebzig Jahre alt, also eigentlich schon längst über das Zwangspensionierungsalter hinaus. Dennoch arbeitete er weiter, weil er für die Firma unverzichtbar war. Sein Spezialgebiet war die geheime Wissenschaft der Schadenstoleranz, der Ermüdungstests. Und Ermüdungstests waren inzwischen von viel größerer Bedeutung, als sie es vor zehn Jahren gewesen waren.
Seit der Deregulierung benutzten die Fluggesellschaften ihre Maschinen länger, als je jemand erwartet hatte. Allein in der amerikanischen Flotte waren dreitausend Flugzeuge älter als zwanzig Jahre. Diese Zahl würde sich in fünf Jahren noch verdoppeln. Kein Mensch wußte wirklich, was mit diesen immer älter werdenden Maschinen passieren würde.
Bis auf Amos.
Es war Amos gewesen, den das NTSB zu dem berühmten Aloha 737-Unfall 1988 als Berater hinzugezogen hatte. Aloha war eine hawaiische Gesellschaft, die nur zwischen den Inseln hin und her flog. Bei einer ihrer Maschinen war in einer Höhe von vierundzwanzigtausend Fuß zwischen Kabinentür und Flügel ein gut fünf Meter langes Stück aus dem Rumpf herausgebrochen, in der Kabine entstand ein Unterdruck, eine Ste-wardeß wurde hinausgesaugt und starb. Trotz des explosiven Druckverlusts konnte die Maschine noch sicher auf Maui landen, wo sie sofort verschrottet wurde.
Der Rest der Aloha-Flotte wurde auf Korrosion und Ermüdungsschäden untersucht. Zwei weitere betagte 737er wurden verschrottet, eine dritte stand monatelang in der Reparaturhalle. Bei allen dreien wurden ausgedehnte Risse in der Außenhaut und andere Korrosionsschäden festgestellt. Als die FAA mit einer Lufttauglichkeitsdirektive die Inspektion sämtlicher 737er erzwang, wurden bei neunundvierzig Flugzeugen von achtzehn verschiedenen Gesellschaften Risse entdeckt.
Beobachter der Luftfahrtindustrie waren verblüfft über diesen
Unfall, weil angeblich Boeing, Aloha und die FAA die 737er-Flotte der Gesellschaft genau im Auge hatten. Korrosionsbedingte Risse waren ein bekanntes Problem bei 733ern aus früheren Baureihen, und Boeing hatte Aloha bereits gewarnt, daß das salzige, feuchte Klima auf Hawaii ein »ernstzunehmender« Korrosionsfaktor sei.
Die Untersuchung ergab eine Vielzahl von Ursachen für den Unfall. Es zeigte sich, daß Aloha bei ihren Kurzflügen zwischen den Hawaii-Inseln sehr viel mehr Starts und Landungen als vorgesehen angesammelt hatte. Diese Belastung in Verbindung mit der Korrosion durch die Meeresluft hatte zu einer Reihe von kleinen Rissen in der Hülle geführt, die von Aloha nicht bemerkt wurden, weil die Firma nicht genügend Fachpersonal hatte. Die FAA bemerkte sie nicht, weil die Behörde überlastet und unterbesetzt war. Der Wartungsinspekteur der FAA in Honolulu überwachte neun Fluggesellschaften und sieben Reparaturstationen im gesamten Pazifischen Raum von China über Singapur bis zu den Philippinen. So kam es schließlich zu einem Flug, bei dem die Risse sich ausdehnten und die Hülle brach.
Nach dem
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