Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Airframe

Airframe

Titel: Airframe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
Marder über Edgartons Ernennung bitter enttäuscht gewesen war. Was Marder jedoch dagegen unternehmen konnte, stand auf einem anderen Blatt. Durch seine Frau kontrollierte er angeblich elf Prozent des Aktienbestands. Dank seiner Verbindungen konnte er vermutlich noch weitere fünf Prozent auf seine Seite ziehen. Aber sechzehn Prozent waren nicht genug, um ihm wirklich Macht zu verleihen, vor allem, da Edgarton die Unterstützung des Aufsichtsrats besaß.
    Die meisten Leute in der Firma dachten deshalb, daß Marder gar keine andere Wahl hatte, als sich Edgarton zu fügen - zumindest im Augenblick. Marder mochte darüber unglücklich sein, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Die Firma hatte ein Liquiditätsproblem. Schon jetzt baute sie Flugzeuge ohne Käufer, und sie brauchte Milliarden Dollar, wenn sie die berechtigte Hoffnung haben wollte, die nächste Generation von Flugzeugen entwickeln und auch in Zukunft im Geschäft bleiben zu können.
    Die Situation war deshalb eindeutig. Die Firma brauchte dieses Geschäft. Und jeder wußte das. Auch Marder.
    »Haben sie nichts davon gehört, daß Marder Edgarton untergräbt?« fragte Rogers.
    »Kein Kommentar«, sagte Casey. »Aber unter uns gesagt, das würde absolut keinen Sinn ergeben. Jeder in der Firma will diesen Abschluß, Jack. Auch Marder. Im Augenblick ist er es, der uns drängt, dieses 545er-Problem so schnell wie möglich zu lösen, damit das Geschäft auch wirklich durchgeht.«
    »Glauben Sie nicht, daß das Image der Firma unter der Rivalität zwischen den beiden Topmanagern leiden könnte?«
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Okay«, sagte er schließlich und klappte seinen Notizblock zu. »Rufen Sie mich, falls Sie im Lauf der Woche was Neues über den 545er herausfinden, okay?«
    »Klar, Jack.«
    »Danke, Casey.«
    Als sie von ihm wegging, merkte sie, wie sehr dieses Interview sie erschöpft hatte. Heutzutage war eine Unterhaltung mit einem Reporter wie ein tödliches Schachspiel; man mußte immer einige Züge vorausdenken, mußte sich alle Möglichkeiten überlegen, wie der Reporter einem die Worte im Mund verdrehen konnte. Bei einem solchen Gespräch mußte man von der ersten bis zur letzten Sekunde auf der Hut sein.
    Es war nicht immer so gewesen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen Reporter noch Informationen wollten und ihre Fragen sachbezogen gewesen waren. Sie wollten sich ein präzises Bild der Lage verschaffen, sie gaben sich Mühe, sich in den Interviewpartner hineinzuversetzen und zu verstehen, wie er über eine bestimmte Sache dachte. Dabei mußten sie am Ende nicht unbedingt mit dem Befragten übereinstimmen, aber es war für sie eine Frage des Stolzes, die Meinung des anderen präzise wiederzugeben, bevor sie sie verwarfen. Damals waren Interviews noch weniger auf die Person gerichtet gewesen, das Hauptaugenmerk hatte auf dem Ereignis gelegen, das die Reporter verstehen wollten.
    Aber jetzt kamen Journalisten bereits mit einer fertigen Geschichte im Kopf zu einem Interview, sie sahen es als ihre Aufgabe an, das zu beweisen, was sie bereits wußten. Sie suchten weniger Information als Hinweise auf eine Gaunerei. Und deshalb begegneten sie dem Standpunkt des Gesprächspartners mit offener Skepsis, da sie ja von vorne herein davon ausgingen, daß er nur Ausflüchte machen wollte. Überall witterten sie Schuld, es herrschte eine Atmosphäre von unterschwelliger Feindseligkeit und Argwohn. Diese neue Art des Interviews war extrem persönlich: Der Journalist wollte einen in die Falle laufen lassen, wollten einen bei einem kleinen Fehler, einer törichten Aussage ertappen - oder auch nur bei einer Formulierung, die man aus dem Kontext gerissen als lächerlich oder gefühllos hinstellen konnte.
    Da aber das Augenmerk so stark auf das Persönliche gerichtet war, wollten die Reporter möglichst viel persönliche Spekulationen hören. Glauben Sie, daß dieser oder jener Vorfall sich nachteilig auswirken könnte? Glauben Sie, daß die Firma leiden wird? Solche Spekulationen waren für eine frühere Journalistengeneration ohne Bedeutung gewesen, denn die hatte sich auf das zugrundeliegende Ereignis konzentriert. Der moderne Journalismus war äußerst subjektiv - »interpretierend« -, und sein Lebenselixier war die Spekulation. Casey fand das zermürbend.
    Dabei war Jack Rogers noch einer von den Besseren. Die Printjournalisten waren alle besser. Die Fernsehreporter waren es, vor denen man auf der Hut sein mußte. Das waren die wirklich Gefährlichen.

10

Weitere Kostenlose Bücher