Airframe
höchsten Sicherheitsstandard der Welt hat. Aber die Sache ist die, wir haben auch dafür gezahlt. Wir haben dafür gezahlt, daß nur neue, sichere Flugzeuge in der Luft waren, und wir haben für die Aufsicht gezahlt, die dafür gesorgt hat, daß sie gut gewartet wurden. Aber diese Zeiten sind vorbei. Jetzt glaubt jeder, er kriegt was umsonst.«
»Und wo wird das enden?«
»Ich wette hundert Dollar«, sagte er, »daß die Deregulierung innerhalb von zehn Jahren wieder aufgehoben wird. Es wird zu einer Reihe von Unfällen kommen, und dann müssen sie es tun. Die Anhänger des freien Markts werden schreien, aber Tatsache ist, daß der freie Markt nicht für Sicherheit garantiert. Das kann nur staatliche Kontrolle. Wer Qualität bei Nahrungsmitteln will, braucht Inspektoren. Wer sauberes Wasser will, braucht das Wasserwirtschaftsamt. Wer Sicherheit an der Börse will, braucht die Börsenaufsicht. Und wer Sicherheit im Flugverkehr will, braucht hier ebenfalls staatliche Kontrolle. Glauben Sie mir, die kommt auch wieder.«
»Und bei 545 … «
Amos zuckte die Achseln. »Ausländische Fluggesellschaften operieren unter einer viel laxeren Kontrolle. Außerhalb unserer Grenzen geht’s ziemlich leger zu. Sehen Sie sich die Wartungsprotokolle an -und sehen Sie bei jedem Teil, das Ihnen verdächtig vorkommt, sehr genau hin.«
Sie stand auf.
»Aber Casey … «
Sie drehte sich noch einmal um. »Ja?«
»Sie sind sich doch bewußt, in welcher Lage Sie sich befinden, oder? Um dieses Teil zu überprüfen, müssen Sie mit den Lebenslaufkarten anfangen.«
»Ich weiß.«
»Die sind in Gebäude 64. Ich würde im Augenblick da nicht hingehen. Zumindest nicht allein.«
»Ach, kommen Sie, Amos«, sagte sie. »Ich habe früher in der
Produktion gearbeitet. Mir passiert da nichts.«
Amos schüttelte den Kopf. »Flug 545 ist eine heiße Kartoffel. Sie wissen doch, wie die Jungs denken. Wenn sie in die Untersuchung hineinpfuschen können, werden sie es auch tun - mit welchen Mitteln auch immer. Seien Sie vorsichtig.«
»Werde ich.«
»Seien Sie sehr, sehr vorsichtig.«
11 Uhr 45
Gebäude 64
Entlang der Mittelachse von Gebäude 64 erhob sich eine Reihe einstöckiger Bauten, in denen sich Teilelager für die Fertigungsstraße und Bildschirmarbeitsplätze, sogenannte Workstations, befanden. Jede dieser Workstations, die von den Lagerbereichen durch dreiteilige Sperrholzwände abgetrennt waren, enthielt ein Mikrofiche-Lese-gerät, ein Terminal für die Teileverwaltung und ein Terminal für den Hauptcomputer.
Casey stand über ein Mikrofiche-Lesegerät gebeugt und blätterte in Kopien der Lebenslaufkarten für Rumpf 271, der ursprünglichen Bezeichnung des Flugzeugs, das in den TPA-Unfall verwickelt war.
Jerry Jenkins, der Lagerverwalter in der Halle, stand nervös neben ihr, klopfte mit seinem Kugelschreiber auf den Tisch und sagte: »Schon gefunden? Schon gefunden?«
»Jerry«, sagte Casey. »Immer mit der Ruhe.«
»Ich bin ruhig«, erwiderte er und sah sich um. »Ich habe mir nur gedacht, Sie wissen schon, Sie hätten das vielleicht beim Schichtwechsel machen können.«
Beim Schichtwechsel hätte es weniger Aufmerksamkeit erregt.
»Jerry«, sagte sie, »wir haben es ziemlich eilig.«
Er klopfte wieder auf den Tisch. »Alle sind ziemlich aufgeregt wegen des ChinaGeschäfts. Was soll ich den Jungs sagen?«
»Sagen Sie ihnen«, erwiderte Casey, »wenn wir das ChinaGeschäft verlieren, wird die Fertigungsstraße hier dichtgemacht, und alle verlieren ihren Job.«
Jenkins schluckte. »Stimmt das? Ich hab nämlich gehört…«
»Jerry, lassen Sie mich bitte hier weitermachen?«
Die Lebenslaufkarten waren eine umfangreiche Dokumentation -eine Million Blatt Papier, eins für jedes Teil des Flugzeugs -, die Voraussetzung war für die Erteilung der Flugtauglichkeitsbescheinigung durch die FAA. Da diese Dokumentation eigentumsrechtlich geschützte Informationen enthielt, wurde sie nicht bei der FAA aufbewahrt. Denn wäre sie in der Behörde gelagert, könnten sich Konkurrenten unter dem Vorwand des Freedom of Information Act Zugriff zu diesen Daten verschaffen. So war Norton verpflichtet, für jedes Flugzeug fünftausend Pfund oder vierundzwanzig Regalmeter Papier einzulagern, in einer riesigen Halle in Compton. Sämtliche Informationen waren auch auf Mikrofiche gespeichert, und über die Lesegeräte in der Produktionshalle hatte man Zugriff darauf. Aber es dauerte seine Zeit, bis man das Papier für ein ganz bestimmtes Teil
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