Airframe
das Jetzt.
Und Fernsehen war im Idealfall Jetzt pur.
Deshalb hatte ein guter Aufhänger nichts mit der Vergangenheit zu tun. Fred Barkers erdrückende Liste früherer Vorfälle war genau betrachtet ein Problem, weil sie die Aufmerksamkeit auf die langweilige Vergangenheit richtete. Sie würde einen Weg um sie herum finden müssen - sie kurz erwähnen und dann weitermachen.
Was sie jetzt suchte, war ein Weg, die Geschichte so zu gestalten, daß sie sich im Jetzt entwickelte, auf eine Art, der der Zuschauer folgen konnte. Die besten Aufhänger fesselten das Publikum, indem sie die Story als einen Konflikt zwischen Gut und Böse, als eine Frage der Moral hinstellten. Denn das kapierten die Leute. Wenn man eine Geschichte so anpackte, wurde man augenblicklich verstanden. Man sprach ihre Sprache.
Aber weil die Story sich auch schnell zu entwickeln hatte, mußte die Moral an einer Reihe von Punkten festgemacht werden, die nicht erklärt zu werden brauchten. Sachen, die vom Publikum als wahr anerkannt wurden. Die Leute wußten bereits, daß große Firmen korrupt und ihre Führer gierige sexistische Schweine waren. Das mußte man nicht beweisen, man mußte es nur erwähnen. Sie wußten bereits, daß staatliche Bürokratien unfähig und faul waren. Auch das mußte man nicht beweisen. Und sie wußten bereits, daß Produkte zynisch, weil ohne Rücksicht auf die Sicherheit des Konsumenten, hergestellt wurden.
Ausgehend von solchen allgemein akzeptierten Prämissen mußte sie ihre moralische Story aufbauen.
Eine sich schnell entwickelnde moralische Geschichte, die jetzt passierte.
Natürlich mußte der Aufhänger auch noch einer zweiten Anforderung genügen. Vor allem anderen mußte sie ihre Reportage Dick Shenk verkaufen. Sie mußte einen Aufhänger finden, der Dick Shenk zusagte, der zu seiner Weltsicht paßte. Und das war nicht einfach. Shenk war kultivierter als das Publikum. Und schwerer zu befriedigen.
In der Redaktion von Newsline war Shenk als »der Kritiker« bekannt, wegen der barschen Art, mit der er vorgeschlagene Themen niedermachte. Wenn er durch die Büros schlenderte, gab Shenk sich liebenswürdig, er spielte den gütigen alten Mann. Doch das änderte sich, wenn er einem Vorschlag zuhörte. Dann wurde er gefährlich.
Dick Shenk war sehr gebildet und klug - sehr klug -, und er konnte charmant sein, wenn er wollte. Aber im Grunde war er gemein. Und mit dem Alter war er noch gemeiner geworden, er hatte seine häßliche Seite kultiviert, weil er sie als Schlüssel zu seinem Erfolg betrachtete.
Jetzt mußte sie ihm einen Vorschlag präsentieren. Sie wußte, daß Shenk dringend eine Story brauchte, aber er würde außerdem wütend sein, wütend auf Pacino und auf Marty, und diese Wut konnte sich sehr schnell gegen Jennifer und ihren vorgeschlagenen Beitrag richten.
Um dieser Wut zu entgehen und ihm den Beitrag zu verkaufen, mußte sie vorsichtig vorgehen. Sie mußte die Geschichte so darstellen, daß sie vor allem als Ventil für Dick Shenks Feindseligkeit und Wut dienen konnte und sie in eine nützliche Richtung lenkte.
Sie begann damit, sich aufzuschreiben, was sie sagen würde.
13 Uhr 04
Verwaltungsgebäude
Casey betrat mit Richman im Gefolge den Aufzug des Verwaltungsgebäudes. »Ich verstehe das nicht«, sagte er. »Warum sind denn alle so wütend auf King?«
»Weil er lügt«, sagte Casey. »Er weiß, daß das Flugzeug nie bis auf fünfhundert Fuß über dem Pazifik abgesackt ist. Weil nämlich alle tot wären, wenn das passiert wäre. Der Vorfall hat sich in einer Höhe von siebenunddreißigtausend Fuß ereignet. Die Maschine ist höchstens drei-oder viertausend Fuß abgesackt. Das ist schlimm genug.«
»Na und? Er verschafft sich Aufmerksamkeit. Baut den Fall für seinen Klienten auf. Er weiß, was er tut.«
»Ja, das weiß er.«
»Aber hat Norton sich denn nicht schon in der Vergangenheit außergerichtlich mit ihm geeinigt?«
»Dreimal«, sagte sie.
Richman zuckte die Achseln. »Wenn Sie solide Argumente haben, dann verklagen Sie ihn doch.«
»Schon«, sagte Casey. »Aber Prozesse sind sehr teuer, und die Publicity tut uns nicht gut. Es ist billiger, sich außergerichtlich zu einigen und dieses Schmiergeld auf den Preis unserer Flugzeuge umzulegen. Die Fluggesellschaften zahlen diesen Preis und geben ihn an die Kunden weiter. Am Ende zahlt so jeder Fluggast ein paar Dollar mehr für sein Ticket, eine Art versteckte Steuer. Die Prozeßkostensteuer. Die Bradley King-Steuer. So läuft das in
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