Airframe
der Realität.«
Sie stiegen im vierten Stock aus, und Casey eilte den Korridor hinunter zu ihrer Abteilung.
»Wohin gehen wir jetzt?« fragte Richman.
»Etwas Wichtiges holen, das ich völlig vergessen habe.« Sie sah ihn an. »Und Sie auch.«
16 Uhr 43 Ortszeit
Newsline
Jennifer Malone ging zu Dick Shenks Büro. Unterwegs kam sie an seiner Trophäensammlung vorbei, einer Ansammlung von dicht an dicht hängenden Fotos, Plaketten und Preisen. Die Fotos zeigten vertrauliche Augenblicke mit den Reichen und Berühmten: Shenk beim Reiten mit Ronald Reagan; Shenk auf einer Yacht mit Cronkite; Shenk bei einem Softball-Spiel mit Tisch in Southampton; Shenk mit Clinton; Shenk mit Ben Brad-lee. Und ganz hinten das Foto eines absurd jungen Shenk mit schulterlangen Haaren, wie er, eine Arriflex auf der Schulter, John F. Kennedy im Oval Office filmt.
Dick Shenk hatte seine Karriere in den Sechzigern als aggressiver Dokumentarfilmer begonnen, in jener guten alten Zeit, als die Nachrichten noch prestigeträchtige Zuschußprojekte der Sender waren, unabhängig, mit einem üppigen Budget und jeder Menge Personal. Das war die große Zeit der CBS-White Papers und der NBC-Reports. Damals, als Shenk noch ein Junge war, der mit einer Arri herumlief, war er in der wirklichen Welt und filmte, was wirklich wichtig war. Mit zunehmendem Alter und Erfolg hatte Shenks Horizont sich verengt. Seine Welt war jetzt begrenzt von seinem Wochenendhaus in Conncecticut und seinem Reihenhaus in New York. Wenn er sich nach draußen wagte, dann nur in einer Limousine. Aber trotz seiner privilegierten Erziehung, seiner Yale-Bildung, seiner wunderschönen Ex-Frauen, seines komfortablen Lebens und seines beruflichen Erfolgs war Shenk mit sechzig unzufrieden mit seinem Leben. Wenn er in seiner Limousine herumfuhr, fühlte er sich nicht gebührend gewürdigt: Er bekam nicht genug Anerkennung, nicht genug Respekt für seine Leistungen. Aus dem aufgeweckten Jungen mit der Kamera war ein nörgelnder, verbitterter Erwachsener geworden. Aus dem Gefühl heraus, daß man ihm den Respekt verweigert hatte, verweigerte Shenk ihn auch anderen, indem er seine Umgebung mit allumfassendem Zynismus betrachtete. Und genau das war der Grund, da war Jennifer sich sicher, warum er ihr den Aufhänger für die Story abkaufen würde.
Jennifer betrat das Vorzimmer und blieb vor Marians Tisch stehen. »Wollen Sie zu Dick?« fragte Marian.
»Ist er da?«
Sie nickte. »Wollen Sie Begleitung?«
»Brauch ich welche?« fragte Jennifer mit erhobener Augenbraue.
»Naja«, sagte Marian. »Er hat getrunken.«
»Ist schon okay«, sagte Jennifer. »Ich weiß, wie ich mit ihm umgehen muß.«
Mit geschlossenen Augen, die Fingerspitzen aneinanderge-legt, hörte ihr Dick Shenk zu. Von Zeit zu Zeit nickte er leicht.
Kurz skizzierte sie ihm den geplanten Beitrag, nannte alle wesentlichen Punkte: den Vorfall in Miami, die Sache mit der JAA-Freigabe, den TransPacific-Flug, das gefährdete ChinaGeschäft. Der ehemalige FAA-Experte, der behauptete, daß das Flugzeug eine lange Geschichte nicht korrigierter Konstruktionsmängel habe. Der Luftfahrtreporter, der behauptete, in der Firma gebe es Mißmanagement, Drogen-und Bandenprobleme, einen umstrittenen neuen Präsidenten, der versuche, den lahmen Absatz anzukurbeln. Es war das Porträt einer ehemals stolzen Firma in Schwierigkeiten.
Der Aufhänger für die Story, sagte sie, sei »außen hui, innen pfui«. Sie legte es ihm dar: schlecht geführte Firma baut seit Jahren ein schlechtes Produkt. Leute, die es wissen müssen, beschweren sich, aber die Firma reagiert nicht darauf. FAA steckt mit der Firma unter einer Decke und läßt die Sache schleifen. Jetzt kommt endlich die Wahrheit ans Licht. Die Europäer verweigern die Freigabe; die Chinesen bekommen kalte Füße; das Fliegen in der Maschine kostet weiterhin Passagieren das Leben, so wie die Kritiker es prophezeit haben. Und es gibt Bildmaterial, fesselndes Bildmaterial, das die Todesängste der Passagiere während eines Vorfalls zeigt, bei dem mehrere starben. Und am Ende wird eines offensichtlich: Die N-22 ist eine Todesfalle.
Als sie geendet hatte, entstand ein langes Schweigen. Schließlich öffnete Shenk die Augen.
»Nicht schlecht«, sagte er.
Sie lächelte.
»Wie reagiert die Firma darauf?« fragte er mit träger Stimme.
»Sie mauert. Das Flugzeug ist sicher, die Kritiker lügen.«
»War ja auch nicht anders zu erwarten«, sagte Shenk kopfschüttelnd. »Amerikanische Produkte
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