Airport-Klinik
schwarzen Rauchvorhang: Menschen, junge Menschen, mit ausgebreiteten Armen und brennenden Kleidern und Haaren.
Auch Friedhelm Brunner hatte die Katastrophe beobachtet. Er erkannte nichts als ein weißes, grelles Licht, dort, wo sich gerade die Tupolev noch bewegt hatte. Den Bus hatte er gar nicht gesehen.
Rüdiger Göttner wiederum hörte nur den Schlag, der sein Trommelfell zu zerfetzen drohte. Er warf sich zu Boden. Der Schmerz fuhr in seinen Arm, so heftig, so unerträglich, daß er zu schreien begann.
»Mein Arm! … Gott verdammt nochmal, mein Arm!«
Brunner sah ihn nur an: Damit mußt du jetzt wohl alleine fertig werden, Junge … Er sagte es nicht. Er dachte es. Und er dachte daran, was Dr. Hansen und die Airport-Klinik wohl jetzt erwartete …
Alarmstufe eins!
Nachdem Rosers Attentats-Warnung durchgegeben war, hatte Chefarzt Dr. Fritz Hansen veranlaßt, was der Katastrophen-Einsatzplan für diesen Fall vorsah: Die Teams standen bereit. Das zusätzliche Gerät, einschließlich der Brandschutzanzüge und Rauchmasken, war in die Notarztwagen geschafft worden. Auch die beiden gewaltigen Großraumfahrzeuge – wahre Technologie-Monster, die jeweils bis zu 130 Verletzte zur Erstversorgung aufnehmen konnten – standen einsatzbereit. Die Dauerverbindung mit der Katastrophen-Leitstelle FS-2 der Feuerwehr war gleichfalls hergestellt. Alles hatte geklappt. Wie auch nicht? Schließlich spielten sie Jahr um Jahr solche Fälle mit Routine-Übungen durch. Jeder Griff, jede Aktion war eingepaukt, so, wie es die Bundesanordnung ›Not- und Katastrophenfall‹ vorsah.
Eine Routine-Übung, nur unter etwas realistischeren Vorgaben, darauf würde es hinauslaufen. Fritz Hansen war davon überzeugt.
Auch die kurze Schaltkonferenz, die der Einsatzleiter von FS-2, der diensthabende Polizei-Chef Oberkommissar Riedl sowie Schutzdienst-Boß Brunner mit ihm geführt hatten, bestärkte ihn darin. Man war sich in zwei Punkten einig geworden: Der Attentäter hatte den C-Bereich für seine Aktion gewählt, um auch die Klinik zu ›bestrafen‹. Schließlich befand sie sich knapp hundertfünfzig Meter weit von den Gates C-64 und C-65. Zum zweiten: Bei der massiven Gebäudekonstruktion und der Entfernung konnte die Klinik auch dann nicht von dem Anschlag in Mitleidenschaft gezogen werden, falls die Entschärfung der Bombe mißlang. Der Klinik-Betrieb würde, nein, mußte aufrechterhalten bleiben.
Entsprechend lautete Hansens Anweisung: »Weitermachen. Business as usual …«
Die Türen blieben zwar verschlossen – auch die Notruf-Nummer 690-3000 wurde abgeschaltet, da sich durch den geräumten C-Bereich der Klinik ohnehin niemand nähern konnte –, doch gab es noch genügend Patienten zu versorgen. Zum Beispiel einen älteren Mann mit schlimmen Gallen-Koliken, offensichtlich die Folge eines Gallengang-Verschlusses. Eigentlich hätte er sofort zur Weiterbehandlung transportiert werden müssen; doch ehe nicht Entwarnung kam, war das nicht möglich. So wurde er mit starken Schmerzmitteln ruhiggestellt und in ein Zimmer gebracht.
Dann war da eine Frau, die sich offensichtlich unter einem starken psychotischen, durch Hysterie oder eine Neurose ausgelösten Schub befand. Man hatte sie in hochgradigem Erregungszustand in einem Waschraum gefunden. Eine Schutzdienst-Beamtin, die sie zu beruhigen versuchte, war von ihr in die Hand gebissen worden. Aus dem Strom verstörter und verwirrter Worte, die sie unter Tränen herauspreßte, vermochte niemand herauszufinden, was ihre Wahnvorstellungen ausgelöst hatte. Eine organische Hirnerkrankung schien nicht vorzuliegen, und so blieb Dr. Hansen angesichts der gespannten Situation auch in diesem Fall nichts anderes übrig, als die Frau mit starken Neuroleptika zu beruhigen und in einem der Krankenzimmer unterzubringen.
Oberpfleger Fritz Wullemann, den er hier hinzugezogen hatte, weil schon seine pure Anwesenheit auf seelisch belastete oder gestörte Menschen oft beruhigend wirkte, führte sie hinaus.
Hansen griff zum Telefon: »So. – Und was hätten wir jetzt?«
»Da ist noch dieser Junge mit den Asthma-Anfällen. Und dann ein Wespenstich … Allergikerin. Sieht übel aus.«
Er sah auf seine Uhr. 16.50 Uhr.
»Ich muß mich im Augenblick freihalten. Sagen Sie dem Kollegen Honolka, er möge das bitte übernehmen.«
Die Tür öffnete sich. Fritz Wullemann kam zurück.
»Wie steht's?«
»Wie schon? Die Spritze hat im Jang anjefangen zu wirken. Ick hab se richtig ins Bett schleppen müssen.
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