Airport-Klinik
zurückdrängen vor dem Anblick zerrissener Körper, abgetrennter Gliedmaßen, von Hitze zerstörter, schwarzverbrannter, aufgedunsener junger Gesichter, aus denen die Augen verzweifelt um Hilfe flehen.
Sich eisern an die Regeln halten, die er für die Airport-Klinik ja selbst mitformuliert hatte.
Für diesen Fall, bei dem die Mehrzahl der Opfer schwerste thermische Verbrennungen erlitten hatte, war vorgesehen, das Großraumfahrzeug ›Alpha‹ als Verbrennungs-Versorgungs-Einheit einzusetzen.
Doch die Explosions-Opfer wiesen nicht nur die schrecklichsten Hautzerstörungen, sondern auch andere Verletzungen auf. Walter Hechter, der schon einige Kurse in der Versorgung von Verbrennungsopfern absolviert hatte, würde die Verantwortung im Wagen ›Alpha‹ übernehmen. Er hatte zur Unterstützung Dorothe Öhlers, die neue Anästhesistin, bei sich, und außerdem noch die beste der OP-Schwestern, die ›eiserne Tina‹.
Olaf Honolka und der junge Fred Wicke wiederum sollten mit dem Rest des Teams im zweiten Großraumwagen ›Beta‹ die Nichtverbrannten behandeln.
Chefarzt Dr. Fritz Hansen und Oberpfleger Wullemann nahmen sich sozusagen als ›Springer‹ der schlimmsten Fälle in beiden Wagen an. Das verhalf Hansen zudem dazu, die Übersicht zu bewahren. Zunächst aber rannten sie noch zwischen den beißenden Rauchschwaden herum, um die Opfer zu versorgen und einzusammeln.
»Wissen Se, wat det iss, Doktor?« hustete Wullemann. »Dante iss det! Det schiere Inferno.«
Und das war es auch.
Hansens Augen tränten. Er nahm das Funkgerät hoch: »O 2 -Masken bereitstellen! Alle. Wir brauchen jede Menge Sauerstoff. Die Leute sterben uns hier an Rauchvergiftung, ehe wir sie drin im Wagen haben.«
Er lief weiter. Seine Lungen stachen. Aus dem Gewoge der dunklen, beißenden Schleier kam das Stöhnen der Verletzten und der Sterbenden. Keine Schreie darunter, schwach nur noch die Stimmen – und doch ein wahrer Höllen-Chor.
Dann wurde es schlagartig hell um sie. Und auch das grausam röhrende Flammengeräusch war leise geworden. Die Schaum-Kanonen der Flughafen-Feuerwehr begannen den Sieg davonzutragen.
Sie aber sahen! Und das Herz setzte ihnen aus.
»Oh Gott«, stöhnte Wullemann. »Sind Kinder. Sind doch alles Kinder …«
Links, seitlich, noch keine fünf Meter entfernt – das erste Opfer.
»Nein, Doktor … Oh Gott, oh Gott …«
Der liebe Gott half jetzt auch nicht weiter. Wann tat er das je in solchen Augenblicken? … Aber der Anblick des verstümmelten und verbrannten Körpers dort auf dem blutbefleckten Beton war beinahe unerträglich. Von den Beinen des Mädchens existierten nur noch Stümpfe. Sie waren oberhalb des Knies abgetrennt. Und aus rohem Fleisch sah man die Knochen herausragen. Eine Jeansjacke hing in Fetzen um den Oberkörper. Das Gesicht schwarz wie Kohle – und darin die Augen! Das Mädchen lebte noch und blickte Hansen an, als er sich niederkniete, versuchte sogar den Kopf mit den vollkommen abgesengten Haaren hochzunehmen.
»Die Druckmanschetten, Fritz.« Er sagte es fast automatisch. »Dann Plasma.«
DAS WICHTIGSTE: GANZ KLAR UND KALT DIE SITUATION ANALYSIEREN …
Er schob mit den Fingerspitzen vorsichtig die Jeansfetzen zur Seite. Das Mädchen kämpfte um Luft, röchelte. Es fühlte keine Schmerzen, es befand sich im Schock. Dazu kam vermutlich eine Rauchvergiftung.
Fritz Wullemann hatte in fliegender Hast unterbunden und gleichzeitig am rechten Oberschenkel einen venösen Zugang für die Plasma-Infusion geschaffen.
»Wir müssen sie inhibieren, Fritz. Sauerstoff … Möglichst hier schon, wenn's geht.«
»Sani!« brüllte Wullemann. »Los, hier rüber! Sauerstoffmaske!«
Sie kamen angerannt. Einen Endotracheal-Tubus? Durch die Nase ging es nicht, sie war zugeschwollen. Aber auch Mund und Gaumen schienen geschädigt.
Hansen seufzte: Der erste Fall, die erste Entscheidung. Hier fiel sie leicht. Gesicht und Oberarme wiesen zwar schwere Brandverletzungen zweiten und dritten Grades auf, dazu der Verletzungs-Schock – aber sie hatte trotzdem Chancen. Es lohnte, um sie zu kämpfen.
Er gab ein kreislaufstützendes Mittel in die Infusion.
»Bringt sie sofort auf den Tisch von ›Alpha‹«, schärfte Hansen den Sanitätern ein. »Und sagen Sie Dr. Hechter, er soll sofort einen Luftröhrenschnitt vornehmen. Sie läßt sich nur so intubieren. Es ist lebenswichtig bei ihr. Haben Sie verstanden?«
»Und ob, Herr Doktor!«
Die Sanis rannten los …
Der nächste – tot. Ein Junge …
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