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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht ein? Er zitterte doch, und die Hand hatte er auf dem Magen, der arme Kerl.
    »Wissen Sie, die haben hier alles an Bord hier. Auch Medikamente, Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Mittel, die Schmerzen wegnehmen. Bei Koliken zum Beispiel. Haben Sie vielleicht eine Kolik?«
    Wieder keine Antwort. Er lehnte sich jetzt zurück. Sie sah sein Profil. Sah eigentlich ganz nett aus. Mittelalter. Ob es ihm wirklich schlecht ging? Wer sollte das bei dieser Dunkelheit unterscheiden können?
    »Überlegen Sie sich's.«
    »Gracias«, kam es flüsternd.
    Na ja, dachte Mathilde Werner, lehnte sich nun selbst zurück und schloß die Augen; zu seinem Glück soll man niemand zwingen …
    Ich habe es gewußt!
    Evi Borges dachte es im beruhigenden Halbdunkel der Kabine. Mit absoluter Sicherheit habe ich es gewußt. Ich war mir schon gewiß, als ich den Strandweg hinunter kam und Chris' Haus sah.
    Dabei schien doch alles wie immer: Der Wind bewegte den Hafer am Hang. Weiter vorn am Riff schlugen die Brecher gegen den Felsen. Man sah die Boote draußen. Vor dem Haus von Chris aber gab sich der Pazifik ruhig und sandte weiße, freundlich murmelnde Schaumstreifen über den Sand.
    Sein Haus war aus Holz, wie die meisten Strandhäuser nördlich von San Diego. Wind und Salz hatten es grau gefärbt. Vor vier Jahren, als Chris seinen ersten großen Schallplatten-Vertrag abschloß, hatte er das Haus einem Bauunternehmer abgekauft. Es mußte ein Industrieller von beachtlichem Geschmack gewesen sein, denn mit schweren Naturstein-Fundament, all dem Holz und Glas und der weiten, überdachten Terrasse war das Haus wunderschön.
    Die Krankheit hatte Chris damals noch nicht niedergerungen und ins Bett gezwungen. Und jedes Mal stand er dort oben und wartete auf Evi, wenn sie wieder einmal aus Deutschland her geflogen war. Nun schien ihr die Terrasse so weit und schrecklich verlassen …
    Möwen schwebten über dem Dach. Draußen startete ein Kormoran, zog einen Schaumstreifen hinter sich her, ehe er sich taumelnd erhob. Aber kein Chris war zu sehen. Evi konnte die Beine kaum bewegen. Es ist soweit, dachte sie. Er hat mich für immer verlassen.
    Die Krankheit hatte sich ihre Zeit genommen. Zunächst noch hatte sie ihm sein schmales, sensibles Gesicht belassen, dann schwarze Flecken über seinen Körper gezogen, schließlich Lungen und Eingeweide zerstört. »Wenn sie wenigstens einen anderen Namen dafür hätten, Evi … Etwas Poetisches … Der Zorn des Engels oder so? Aber Aids oder gar Karposi-Syndrom? Na, wie gefällt dir das?«
    Und er hatte dabei noch gelächelt.
    Stille … Möwenschreie …
    Ganz langsam ging sie durch den Sand. Als sie die Treppe hochstieg, knarrte wie immer die dritte Stufe.
    »Sei fair, Evi«, hatte er das letzte Mal gesagt: »Komm zu mir, wenn's soweit ist. Versuch es wenigstens.«
    Sie war gekommen. – Zu spät.
    An allen Fenstern waren die Vorhänge vorgezogen. Neben dem Eingang aber gab es einen Spalt, durch den sie in das Innere des Wohnraums blicken konnte: Die breite Couch war hochgekippt und aus dem Kamin die Asche entfernt. Selbst den wunderschönen rotschwarzen indianischen Teppich hatten sie mitgenommen. Alles leer. Wie ihr Herz.
    Ganz automatisch griff sie in den Mauerspalt, in dem Chris den Schlüssel aufzubewahren pflegte, wenn er weg ging.
    Da war kein Schlüssel …
    Sie drehte sich um. Der Wind kühlte ihr Gesicht, griff in ihr Haar, zerrte daran. Und die Wellen sprachen zu ihr: »Es ist doch nicht so schlimm. Sieh mal, ich bin ja noch hier … Spürst du mich nicht?«
    »Vielleicht. Aber ich kam zu spät.«
    »Wir haben es doch gewußt. Was hätte es geändert?«
    »Ich habe es versprochen, Chris. Und das ist alles, was zählt …«
    Sie ging den Strandweg zurück und den Hang wieder hinauf, hinüber zu Miss Lane, die an der Kreuzung eine Tankstelle betrieb und den Drugstore, der die paar Häuser von Connors-Hill versorgte. Wenn Chris' Freunde aus LA nicht bei ihm gewesen waren, hatte sie im Strandhaus ab und zu nach ihm gesehen.
    Mary Lane war gerade dabei, einem Kunden der Tankstelle das Wechselgeld herauszugeben. Sie ließ ihn einfach stehen und lief Evi entgegen. Sie war eine große, knochige Frau und hatte ein hartes, fast männliches Gesicht. Doch all die Mütterlichkeit, zu der sie fähig war, sammelte sich nun in den dunklen Augen.
    »Oh, Evi …« Sie umarmten sich stumm, und Evi war froh um die Hände, die sie festhielten. Doch weinen konnte sie noch immer nicht.
    »Wann?« sagte sie nur. »Wann,

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