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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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strebte immer nach Norden.
    Er flog in einer Höhe, in der Menschen nicht mehr atmen können und wo die eisige Kälte jedes Leben sofort töten würde: zwölftausend Meter über der Erde, in der Grenzzone zwischen Atmosphäre und Stratosphäre. Er hatte Bergmassive und Gipfel überquert, die zu den höchsten der Welt gehören. Und all diese gewaltigen, mit ewigem Schnee bedeckten Steinfestungen der Anden erschienen den Passagieren, die sich gelegentlich um die Sichtfenster der Boeing vom Typ B-747 drängten, irgendwie unwirklich fern, ja, beinahe spielzeughaft.
    Die Maschine, die den fliegenden Kranich der Lufthansa am Seitenleitwerk trug, befand sich seit sechs Stunden in der Luft.
    Sie war kurz vor Mittag in La Paz, Bolivien, gestartet, würde in Bogota, Kolumbien, zwischenlanden, dann tausend Meilen bis Caracas, Venezuela hinter sich bringen, dort die Besatzung auswechseln, noch einmal hunderttausend Liter Kerosin in die riesigen Treibstoffkammern saugen und dann zur letzten Etappe dieses Langstreckenflugs LH-547 starten, dem Achttausend-Kilometer-Sprung zur Heimat-Basis Frankfurt am Main.
    Die Boeing war zu teuer, als daß man sie lange am Boden halten konnte. Falls technisch alles in Ordnung war, würde sie sich bereits am nächsten Morgen, diesmal unter der Flugnummer 571, in die Lüfte heben, um den Flughafen Johannisburg in Südafrika anzusteuern …
    Nun aber befand sich die ›Hessen‹ bereits im Bereich der Anflug-Kontrolle Bogota und war nichts als ein grün leuchtendes Signal auf dem runden Sichtschirm eines Flugsicherungs-Lotsen im Tower des Flughafens ›El Dorado‹. Ein winziger Punkt, der nun langsam, im regelmäßigen Widerschein des grünen Drehstrahls, dem Zentrum zukroch.
    Zwanzig Minuten später: Touch down! Die sechzehn stickstoffgefüllten Räder des Hauptfahrwerks hatten aufgesetzt, die Bremsklappen waren ausgerichtet, Kapitän Wehrmann ließ die Schubumkehr wirken und trat die Fußbremse. Eine halbe Stunde Verspätung? Wehrmann erinnerte sich, was er zuvor im Sender an Meteorologen-Informationen abgerufen hatte: Ein Südost-Wind von 23 Knoten herrschte hier draußen. Wenn es in Bogota nicht viel zu laden gab, wenn er den Zwischen-Stop rasch hinter sich bringen konnte, bestand die Chance, daß er auf dem Weiterflug nach Caracas einen Teil der Verspätung wieder hereinholte.
    Der Aufenthalt dauerte sogar kürzer, als Wehrmann erwartet hatte. Nur elf neue Passagiere kamen an Bord. Der letzte, den der Purser am Einstieg begrüßte, war ein kräftiger Mann in einem blauen Anzug. Im Computer der LH-Niederlassung Bogota und auf dem Ticket stand der Name: Joaquin Pedro Caldas. Der Passagier Caldas bekam im Raucherabteil der Business-Class den Sitz 15 H zugewiesen.
    Dann wurde die ›Hessen‹ wieder von dem Schleppfahrzeug angezogen, die Düsen fingen an zu vibrieren, in der Startposition gab Kapitän Wehrmann Gas. Die Düsen brüllten auf. Im Steilflug schwang sich die Maschine über die Vier-Millionen-Stadt auf dem Anden-Hochplateau und nahm Kurs nach Nordwesten.
    Es war kurz nach Mitternacht, als die ›Hessen‹ auf dem Airport Caracas, Maiquetia, eintraf. Im Scheinwerferlicht drängten sich Tankwagen und Wartungsfahrzeuge wie eine Zwergen-Armada um den gewaltigen Jumbo. Ein Putzfrauen-Geschwader unternahm eine Eilreinigung. Und Kapitän Wehrmann, einigermaßen zufrieden mit sich selbst – denn immerhin, zwanzig Minuten hatte er aufgeholt –, übergab die Maschine seinem Kollegen Rolf Andersen und dessen Besatzung!
    Eine halbe Stunde später hob die ›Hessen‹ erneut ab. Zum letzten, langen Flug über den Atlantik nach Europa.
    Lächeln. Immerzu lächeln. Die Stewardeß Evi Borges war wieder im Dienst. Sie stand am Bug-Einstieg, kontrollierte Bordkarten, wies Sitze an. Ja, im Dienst – doch das Lächeln gehörte nicht zu ihr. Es schien jemand ganz anderes zu sein, der Auskünfte gab, Gepäckklappen öffnete, Mäntel verstaute. Jemand, der es fertigbrachte, zu lächeln.
    Evi Borges war an diesem Morgen von einem Kurz-Urlaub an der Westküste der Vereinigten Staaten in Caracas eingetroffen. Hier hatte sie sich mit der Besatzung des Kapitän Andersen für den Lufthansa-Flug 547 nach Frankfurt zu vereinen.
    Den Stewardessen der großen Gesellschaften war es längst selbstverständlich, als Urlaubsziel die entferntesten, exotischsten Orte zu wählen. Flüge waren für sie spottbillig, und nicht nur für sie, sondern auch für ihre Ehepartner oder Begleiter: ›Der Erdball, unsere Heimat‹!

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