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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine eiserne Tür betraten sie einen kleinen Gang und kamen schließlich in eine Küche. Die Wände waren aus nacktem Beton, die Einrichtung bestand nur aus dem Notwendigsten. Neben dem Schrank hingen ein Herz Jesu-Bild und eine Schwarzwälder-Uhr. Vermutlich handelte es sich um die Küche des Hausmeister-Paares.
    »Setz dich!«
    Und wieder drückte José einen Knopf. Diesmal befand er sich an der Unterseite der Küchenherdplatte: Ein schmales Stück Beton glitt lautlos zurück und gab eine Art Kammer frei, in die José hineinging. Als er zurück kam, trug er Kleider über dem linken Arm. In der rechten Hand hielt er eine runde, etwa fünfzehn Zentimeter hohe Plastikdose.
    »Da! Zieh das an.«
    »Ja, wieso denn?«
    »Frag nicht immer wieso und warum. Tu, was ich dir sage.«
    Es war ein dunkelblauer, leichter Anzug, wie ihn die Geschäftsleute trugen, die sich abends im ›El Rodeo‹ oder im ›Union-Club‹ in Medellin trafen.
    »Hier – Schuhe. Größe zweiundvierzig, oder? Hat mir wenigstens Maria gesagt. Hoffentlich passen sie. Die Krawatte habe ich selbst ausgesucht. Na, kümmere ich mich nicht wie ein Vater um dich? Seide. Italienisch. Was sagst du dazu?«
    Es war eine dunkelgraue Krawatte mit Abbildern rosaroter Vögel. José hielt sie ihm unter die Nase. »Los, mach schon. Soviel Zeit haben wir nicht.«
    Der Zeiger der Küchenuhr rückte unerbittlich weiter.
    Ramon zog sich um, während José ihn, eine Zigarette im Mundwinkel, kritisch musterte. »So, jetzt siehst du langsam aus wie ein Mensch. So wie ich mir Joaquin Caldas – das ist von jetzt an dein Deckname – vorstelle. Caldas ist ein Chef-Geometer der Provinz Antioquia. Hier, dein Paß auf diesen Namen. Ich habe dir sogar technische Unterlagen besorgt. Mit denen kannst du deinen Kollegen in Alemania vor der Nase herum wedeln.«
    Ramon versuchte die Krawatte zu binden. Er schaffte es nicht. José half ihm. »Mensch, deine Finger zittern ja. Bleib bloß ruhig, Junge! Ich sag doch – ein Klacks. In vier Tagen bist du wieder hier.«
    In vier Tagen …
    José griff sich die Plastikdose, die einsam auf dem Tisch stand, und schraubte den Deckel ab. Dann ging er zum Eisschrank, holte eine Milchflasche, nahm ein Glas und schenkte es voll.
    »Da! Trink erst mal.«
    »Was soll das? Milch?«
    »Ist gesund. Und dann nimmst du diese Tablette und noch 'nen Schluck.«
    »Wieso Tablette?«
    »Nur, damit du nicht kotzt.«
    Ramon musterte José, dann das Glas. Er rührte sich nicht.
    »Na, los schon!«
    Ramon sah, daß der Plastikbecher bräunliche Kugeln enthielt. Sehr viele Kugeln. Jede hatte etwa den Durchmesser von einem Zentimeter. Er wandte den Blick wieder zu José. Es begann ihm zu dämmern, was José als nächstes verlangen würde: »Ist das etwa …?«
    »Das ist Peruvian Flake. Frisch aus Peru. Die ›Weiße Königin‹. Das Beste von Besten. Und dazu noch in schöne, kleine Latex-Kügelchen verpackt.«
    »Und wo soll ich …«
    »Ganz einfach.« José deutete auf Ramons Magen: »Darin.«
    Er hatte davon gehört. Er hatte es sich sogar vorgestellt, wie es einem ›camello‹ zumute war. ›Kamele‹ nannten sie die Drogen-Kuriere und hatten, verdammt nochmal, recht damit. Geheime Boten, die das Zeug in irgendwelchen Behältern schlucken mußten. Frauen schmuggelten es oft in der Scheide, Männer im Magen, meist in Präservative verpackt. Aber daß er nun selbst …
    Zorn überwältigte ihn. »Nie!« rief er.
    »Was soll das heißen?«
    »Daß du sowas nicht verlangen kannst.«
    »Nein?« José hatte dicke, aufgequollene Lippen, die ewig lächelten, blaugetönte Mischlings-Lippen. Auch jetzt lächelten sie. Aber die Augen blieben hart. Mit einer blitzschnellen Bewegung zauberte er eine Pistole aus einer Jacke. Er hielt die Waffe in der Höhe des Oberschenkels, dort zuckte sie wie der Schwanz einer Kobra.
    »Ich verlange nichts, Junge. Das ist der Punkt, wo wir uns mißverstanden haben. Ich sage nur, was zu tun ist. Du hast meine Kusine geheiratet, gut. Sehr gut. Du hast Kinder von ihr, an denen du hängst? Noch besser. Und ich habe meine Arbeit! Wenn ich einen Fehler mache, nur den kleinsten Fehler, nimmt niemand mehr Rücksicht auf meine Familie. Kein Schwanz. Und so ist es jetzt auch bei dir. Tut mir leid, aber es ist besser, du betrachtest die Dinge, wie sie nun mal sind … So, und jetzt fang an! Und immer ein Schluck Milch dazwischen.«
    Ramon griff in die Plastikdose, nahm die erste Kugel und schob sie sich in den Mund …
    Der große, funkelnde Vogel

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