Akasha 01 - Die Renegatin von Akasha
darauf. Er machte einfach kehrt, hielt mit langen Schritten auf die Tür zu, packte den Arm des kleinen Novizen und zog ihn mit sich. Draußen auf dem Gang hörte Djamenah die Stimme des dürren Humanoiden. »Du verdammter Idiot! Warum hast du sie hierher geführt? Eine Ciristin. Und eine Heilerin noch dazu! So etwas hat uns hier gerade noch gefehlt ...«
Es blieb Djamenah nichts anderes übrig, als der Weisung des Äskulapmeisters zu folgen. Als Ciristin genoß sie zwar den Schutz der Messianer, aber wenn sie den ausdrücklichen Anweisungen von Habitatsautoritäten zuwiderhandelte, verwirkte sie diesen Beistand, und sie bezweifelte, ob ein Gericht der Medizinischen Fakultäten sie in einem solchen Fall freisprechen würde.
Sie wartete, bis der Mempar erwachte. Sie half ihm von der Liege und aus dem Diagnosezentrum, und machte sich mit ihm auf den Weg zu dem Schwerkraftschacht, der ins Transitmodul emporführte. Unterwegs begegneten sie einigen anderen Äskulapmeistern und ihren Novizen, und selbst wenn Djamenah keine Empathin gewesen wäre, hätte sie ihren Haß wahrgenommen: Er gleißte in ihren Augen und war wie eine stumme Drohung, die allein ihr galt, ihr und ihrem Status. Curcun sprach nicht ein einziges Wort; er war noch immer geschwächt, und mehrmals nahm sie empathischen Kontakt mit ihm auf und verlieh ihm mit Hilfe der Heilenden Energie neue Kraft.
Es war eine überaus angenehme Erfahrung für sie, daß diese emotionalen Verbindungen nicht einseitig blieben. Der Mempar beantwortete ihre Ch'i-Signale aus einem mentalen Reflex heraus mit Bildern, die er vor den inneren Augen Djamenahs auslöste, und diese Szenarien vereinten sich in ihr mit während eines jahrhundertelangen Lebens gespeicherten Eigenerinnerungen ...
Gewaltige Raumschlepper, stählerne Leviathane aus den verschiedensten Sonnensystemen: und sie zogen Millionen von Tonnen Metall, Kunststoff und Elektronik durch die Sternenräume und flanschten sie zu einem anorganischen Wurm aneinander, in dessen Innerem sich Trommeln drehten und Schwerkraft simulierten. Laserbrenner flammten, stellten Verbindungen her. Robotscouts ritten auf der Glut ihrer Treibsätze durch die Leere und sangen Bitlieder, die die Konvois an ihre Ziele lenkten. Millionen- und milliardenfache Intelligenz belebte die Innensektoren des entstehenden Kosmotops. Mit der Zeit bildeten sich Auswüchse, synchronisiert von Gyrostaten und Computern, die niemals schliefen und aufmerksame Wartung erfuhren. Das Leben multiplizierte sich selbst, denn jetzt stand ihm unbeschränkter Platz zur Verfügung. Die Fläche der größten Habitate stellte ein Vielfaches der von Planeten dar. Leistungsfähige Verbundelektroniken kontrollierten Klimata und die innere Struktur der Biotope. Akasha begann zu atmen, mit metallenen, von Mikroprozessoren gesteuerten Lungen, und in seinem Gewebe entwickelten sich Kulturen in einer Welt ohne Horizonte. Tachyonensegler brachten immer weitere Heerscharen von Immigranten, und die Planeten blieben leer zurück, nun wieder sich selbst überlassen ...
Träume ...
»Warum hast du mich hierher geführt?« fragte Hengarth mit nörgelnder und gelangweilt klingender Stimme.
»Um dir etwas zu zeigen. Komm.« Der schmale Pfad wand sich an großen Felsen vorbei, die hier und dort mit phosphoreszierenden Flechten bewachsen waren, und ihr geisterhaftes Leuchten vereinte sich auf seltsame Weise mit dem matten Glühen der Ergsonnen weit über ihnen. Das Flirren des Gravitationsschachtes bildete eine Säule aus Energie, die einige hundert Meter entfernt in die Höhe ragte und in eins der Klimakontrollmoduln führte, in das, in dem sich das Transittor befand.
Als Djamenah Shara einmal stehenblieb und zurückblickte, sah sie in der Ferne einige Unterweiser, die ihren Schülern die einzelnen Denkmäler und Monumente erklärten. Auch sie selbst hatte dieses Habitat vor einigen Jahren auf diese Weise kennengelernt und seitdem Freundschaft geschlossen mit den größtenteils stummen Hinterlassenschaften und Relikten der Völker, die einst im Kosmotop Akasha gelebt, sich dann aber irgendwann zurückgezogen hatten, vor Jahrtausenden.
Sie folgten weiter dem Verlauf des Pfades, und als sie die Kuppe des Hügels erreichten, deutete Djamenah auf die Ruinen eines tempelartigen Gebäudes. Dutzende von Säulen aus Marmor, Kristall und nachtschwarzem Obsidian stützten ein hohes, in sich verwinkeltes Dach. Komplexe Fresken zeigten sich in den dicken Mauern, deren Oberfläche schon
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