Akasha 02 - Der Attentäter
Großen Regen eine etwa zwei Normjahre andauernde Dürreperiode«, erklärte die Reiseführerin. »In dieser Zeit steigt die Durchschnittstemperatur rasch an, und das führt zur zunehmenden Austrocknung der Sümpfe ...«
Tatsächlich hatte der Schwefelgestank erheblich nachgelassen, und das Blubbern zerplatzender Gasblasen war nicht mehr zu hören. Der Mystagoge beobachtete die großen Eipyramiden, und er glaubte, innerhalb der nun grauen Kokons undeutliche Bewegungen zu erkennen. Kurz darauf passierte die Plattform einen schleierartigen Vorhang aus Projektionsenergie und gelangte damit in eine weitere Offene Galerie. Es wurde so heiß, daß es dem Mystagogen den Atem verschlug, und während er sich den Schweiß von der Stirn wischte, sah er, wie die ersten Idu-Eier aufplatzten.
»Dies ist das zweite Stadium in der dreistufigen Arsii-Evolution«, erklang der erläuternde Gesang der Reiseführerin. Ganz in der Nähe der zarten weiblichen Gestalt entdeckte Stokkrath den jungen Mann, der das Fläschchen mit dem Shyshy-Elixier wie eine Waffe in der einen Hand hielt, offenbar aber nicht recht wußte, wie er damit die linke Brustwarze der Gralgi attackieren sollte, ohne sich ihren Unwillen zuzuziehen. »Während der Dürreperiode platzen die Eier ...« – es machte nun überall Knirsch und Knack – »... und die ausgeschlüpften Sämlinge bohren sich in den Boden.«
Der Mystagoge sah eine alte Frau, die sich ein wenig abseits der anderen Touristen hielt und ein gelangweiltes Gesicht machte. Er trat auf sie zu und beobachtete dabei wurstartige Gebilde, die sich mit zuckenden Bewegungen aus den Idu-Eiern befreiten, kleine Flügel ausbreiteten und wie ziellos umherflatterten. Nach einer Weile ließen sie sich einfach zu Boden fallen, bohrten die schnabelartige Spitze in den heißen Sand und blähten die Hinterleiber auf. Es knallte laut, als sich der Gasdruck darin auf einmal entlud, und das auf diese Weise entstehende Bewegungsmoment trieb die Sämlinge in den ausgedörrten Untergrund. Überall entstanden kleine Löcher.
»Interessant, nicht wahr?« meinte Stokkrath, als er die alte Frau erreicht hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, daß sie sich auf einen archaischen, aus Holz bestehenden Gehstock stützte. Die Frau musterte ihn skeptisch.
»Der Lebenszyklus der Shyshy ist natürlich noch weitaus erstaunlicher.«
»So?« meinte die Frau.
»Wußten Sie, daß ihre Thaumaturgen – o ja, die Shyshy sind wahre Meister der Zauberei und des Okkulten – hundertfünfzig Normjahre alt wurden, ohne daß sich in ihrer Haut eine einzige Falte gebildet hätte? Ja, sie verabscheuten nichts mehr als das Alter mit all seinen ästhetikfeindlichen Begleiterscheinungen, und darum mixten sie Elixiere, die sie wie junge Männer und Frauen aussehen ließen.«
Während dessen wuchsen aus den wurstartigen Sämlingen im Boden kleine oleanderartige Pflanzen, deren Blätter sich aber schon nach kurzer Zeit zusammenrollten und lange Schoten bildeten.
»Auch das zweite Lebensstadium der Arsii entwickelt keine Eigenintelligenz«, erklärte die Reiseführerin. »Es handelt sich dabei nur um eine bestens an die Zeit der Dürre angepaßte Übergangsform, deren Zweck in erster Linie darin besteht, die vernunftbegabten Arsii zu gebären. Bitte nehmen Sie nun die Kapseln ein, die man Ihnen während der Einweisung zu Beginn unseres Ausflugs aushändigte.«
Alic Stokkrath kam der Aufforderung rasch nach.
»Die Atmosphäre in dieser Galerie«, erläuterte die Gralgi, »enthält einen bestimmten Stoff, ein Agens, das für die Entwicklung des dritten Lebenszyklus der Arsii von unabdingbarer Notwendigkeit ist. Auf die meisten anderen Organismen aber wirkt es wie ein starkes Halluzinogen.« Die Reiseführerin lächelte, und Stokkrath konnte beobachten, daß der junge Mann in ihrer Nähe ein Gesicht machte, als sei ihm gerade eine göttliche Offenbarung zuteil geworden. »Dieses Agens ist der Grund für den Untergang der Arsii-Kultur. Die Ambiententechniker Akashas versuchen schon seit einigen Normjahren, es zu synthetisieren, aber bisher hatten sie noch keinen Erfolg damit. Wir wissen nur, daß es sich aufgrund der Doppelsonneneinstrahlung in der Atmosphäre von Arsis bildete – im Verlauf eines sehr komplexen chemoelektrischen Prozesses. Dieser Vorgang wurde jäh unterbrochen, als das betreffende Sonnensystem während seiner galaktischen Drift eine dichte Staubwolke passierte. Dadurch reduzierte sich die Quantität des einfallenden Sonnenlichts auf ein
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