Akt der Liebe - Lansdale, J: Akt der Liebe - Act of Love
sich offenbar verändert.
»Daddy, ich brauche zehn Dollar.«
»Der Morgen fängt ja gut an.«
»Es tut mir leid. Mom sagt, ich soll dich fragen und mich beeilen. Ich muss mich noch fertig anziehen. Ich brauche es für das Abschlusskleid.«
»Mmmh.« Hanson stellte das Buch in das Regal zurück, holte sein Portemonnaie heraus und gab JoAnna zwei Fünfdollarscheine. »Abschlussfeier, mmh?«
»Genau.« JoAnna schob das Geld in ihre Hosentasche.
»Junge Dame, wenn du eine Münze in deiner Tasche hättest, könnte ich dir sagen welche, weißt du das?«
»Was?«
»Die Hose. Sie ist zu eng.«
»Oh, Daddy. Sie ist nicht enger als bei allen anderen. Ich hab’s eilig. Ich muss mich fertig anziehen. Ich hab nicht mal Schuhe an.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und steuerte auf die Treppe zu.
Abschlussfeier, dachte Hanson. Herrgott, wie die Zeit vergeht … plötzlich fing er an zu schwitzen.
Angst kroch durch seinen Schädel wie eine Eidechse über einen warmen Felsen, und einen Augenblick lang hatte er eine Vision, zwar nur flüchtig, aber greifbar. Es war JoAnna, seine niedliche JoAnna, und sie erschien ihm wie Bella. Verstümmelt, vernichtet, weggeworfen. Schwarzes mit Rotem vermischt. Ein Riesen-Hamburger auf einer kalten Bahre, von dem gefrierschrankgekühlter Atem aufstieg.
Schwach sagte er: »JoAnna.«
JoAnna hatte gerade die Treppe erreicht. »Wa…?« Und dann sah sie sein Gesicht, kam sofort zurück und griff nach seinem Arm.
»Daddy?«
»Ich bin okay. Wirklich.«
»Daddy, geht’s dir gut?«
»Yeah.«
»Bist du sicher?«
»Mir war nur kurz schwindlig.«
»Du schwitzt ja.«
»Nur ein kleiner Schwindelanfall. Kommt wohl von der Müdigkeit. Vielleicht auch eine Erkältung.«
»Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche. Setz dich besser.« Sie hielt seinen Arm, während sie ihn zu dem Ledersessel führte. Hanson setzte sich. »Fühlst du dich besser? Soll ich Mama rufen?«
»Nein, ist schon vorbei. Hab wohl nur zu viel gearbeitet.«
»Du arbeitest immer zu viel. Das ist nichts Neues. Du solltest vielleicht zum Arzt gehen.«
Hanson lächelte. »Es geht mir gut, Baby, wirklich. Los, geh. Mach dich für die Schule fertig, und sag Mama nichts davon. Es ist schon vorbei, wirklich.«
JoAnna nagte an ihren Lippen. Er sah besser aus. »Du bist wirklich okay?«
Hanson nickte.
»Sicher? Das sagst du nicht nur so, um mich zu beruhigen?«
»Ich sage es nicht nur so. Es geht mir gut. Ein bisschen Ruhe kann Wunder bewirken. Ich werde ein Nickerchen machen, wenn ihr endlich verschwunden seid. Okay?«
»Okay.«
»Und nun ab. Ich nehme gleich zwei Aspirin.«
»Na gut«, sagte sie und ging.
Oben schob JoAnna ein paar Kämme in ihr Haar, versprühte etwas Parfum und schlüpfte in weiche, flache Schuhe. Sie konnte nicht begreifen, wie Mary und die anderen Mädchen diese hohen, klappernden Schuhe zur Schule anziehen konnten. Ihre eigenen Füße wären dabei
am Abend hinüber gewesen. Die Mädchen taten es vermutlich wegen der Jungs, dachte sie.
Klar, sie war auch nicht ganz frei davon. Momentan gab’s da einen Jungen, Tommy Rae Evans. Seit über einem Monat trafen sie sich jetzt, und bei jeder Verabredung ging es heißer und heftiger zu. Beim letzten Mal hätte er beinahe die Hand in ihrer Hose gehabt, aber im letzten Augenblick hatte sie gekniffen. Wenn das ihr Daddy herausfinden würde. Wie sagte das alte Sprichwort doch so schön: Es ist noch zu nass, um zu pflügen.
Allerdings, wenn Tommy es dieses Wochenende wieder versuchen würde - sie lächelte, er wäre eine Idiot, wenn er es nicht täte -, würde sie ihn nicht nochmal daran hindern.
»JoAnna«, rief Rachel, als sie das Zimmer ihrer Tochter betrat, »bist du fertig?«
»Fertig, Mama.« Noch ein letzter Blick auf ihr Haar, und JoAnna stand vom Frisiertisch auf.
Rachel zog die Nase kraus. »Du warst aber sehr großzügig mit dem Parfüm, junge Dame.«
»Nur ein oder zwei Tropfen.«
»Große Tropfen.«
»Ich verwisch’s ein bisschen.«
»Jetzt nicht. Los komm, wir müssen uns beeilen.«
»Mama?«
»Was?«
»Daddy benimmt sich so komisch.«
»Er hatte einen Alptraum.«
»Daddy? Ich wusste gar nicht, dass es etwas gibt, was ihm Angst macht.«
»Alpträume sind was anderes.«
»Ich wusste auch nicht, dass er welche hat.«
»Soweit ich weiß, war das der zweite. Einmal hat er geträumt, dass ein riesiger Taco hinter ihm her wäre.«
JoAnna lachte. »O ja, ich kann mich erinnern. Da war ich noch ein Kind.«
»War?«, sagte
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