Akt der Liebe - Lansdale, J: Akt der Liebe - Act of Love
diesem Fall jedoch war es für Hanson reine Zeitverschwendung. Es irritierte ihn ein wenig, dass seine und Clarks Aktivitäten nur Formsache waren, und das äußerte er auch Clark gegenüber. Er wusste, Higgins war ein guter Ermittler, und man konnte sich auf seine Berichte und Tatortfotos verlassen.
Hanson wies die Polizisten an, den Platz zu räumen, da man fertig sei.
Als Nächstes standen Gespräche mit Bewohnern des Ward auf der Tagesordnung, für beide Seiten eine nicht gerade willkommene oder erfreuliche Aufgabe. Sonderbarerweise waren die Leute bereit zu reden, doch niemand wusste etwas Bedeutsames zu sagen. Hanson und Clark
überraschte diese Kooperationsbereitschaft, und sie bestärkte Hanson in der Annahme, dass Menschen, die auf der Straße lebten, ein stärker entwickeltes Bewusstsein besaßen - zumindest in Fällen wie diesen. Irgendwie wussten sie, dass mehr dahintersteckte als nur schiere Wut. Dahinter steckte etwas völlig anderes. Auch Hanson spürte das, und darüber hinaus hatte er noch Doc Warrens sachkundiges Urteil im Hinterkopf. Er hoffte, seine Theorie über das stärker entwickelte Bewusstsein der Leute im Ward und Doc Warrens Bemerkungen würden jeder Grundlage entbehren, aber diese Hoffnung wollte er nicht ernsthaft nähren.
Zu ihrer Bestürzung entdeckten Hanson und Clark, dass Philip Barlowe, Reporter beim Houston Bugle , bereits vor ihnen eingetroffen war. Wenn ein Reporter allen anderen voraus war, dann Barlowe, schlimmer noch, er hatte die unheimliche Gabe, Leute zum Reden zu bringen. Sensationsberichterstattung und ein nicht unbedingt professioneller Stil waren seine Markenzeichen.
Der Bugle , eine sonderbare Mischung aus Zeitung und Skandalblatt, war überaus willig, Barlowes Hirngespinste, wie Hanson sie nannte, zu drucken. Unter dem Titel Houston: Crime Scene hatte man ihm sogar eine eigene Kolumne eingerichtet.
Vor knapp einem Jahr war der Bugle ein Newcomer mit zweifelhaftem Erfolg gewesen und stellte keine Konkurrenz für den etablierten Houston Chronicle oder The Houston Post dar, doch das Gebräu aus Nachrichten und Klatsch hatte aus einem wöchentlichen Witz einen täglichen Profit gemacht. Nun war es ein Blatt, mit dem man rechnen musste; ein ernst zu nehmender Gegner, der Seite an Seite mit den etablierten Tageszeitungen marschierte. Und der
vielleicht, zumindest zeitweise, sogar einen Schritt voraus war, was Auflage und Popularität betraf. Für Hanson war The Bugle die Spitze des Schmierenjournalismus, und deshalb hielt er standhaft zu seiner heißgeliebten Post .
Mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit schlug Hanson vor, ins Revier zu fahren. Was diese Ermittlung anging, kannten beide die grausame Wahrheit. Gab es innerhalb von achtundvierzig Stunden keinen Schuldnachweis oder kam es zu keiner Ergreifung des Täters, tendierten die Chancen gegen null, dass die Tat jemals aufgeklärt wurde.
Es sei denn, der Killer schlug noch einmal zu. Es sei denn, er hinterließ dann Spuren.
Darüber dachte Clark nach, als er den Wagen zum Revier steuerte.
Hanson und Clark teilten sich im Dezernat einen Schreibtisch. Seit seiner Beförderung nahm Hanson hinter dem Schreibtisch Platz. Joe wurde ein Stuhl daneben gewährt und eine eigene Schublade. Die anderen Schubladen nutzten sie gemeinsam. Sie lachten oft über diese Situation. Der Schreibtisch, oder wie sie es nannten, das Büro, hatte sowieso kaum Bedeutung. Nur selten hielten sie sich dort länger als ein paar Stunden auf.
Eingehend studierten sie Higgins’ Bericht, lasen das Autopsieprotokoll und sahen sich die Fotos vom Tatort und der Leiche an. Beim Betrachten der Fotos fiel Hanson wieder sein Traum ein, aber er verdrängte ihn und konzentrierte sich auf seinen Job. Er erstellte eine Liste, ein Hilfsmittel, um Fakten und Beweisstücke zu bündeln. Sie gingen sie gemeinsam durch.
Die da waren:
FAKT:
1. Bella Louise Robbins ist tot, ermordet in einer Seitenstraße eines Teils des Fifth Ward, genannt Pearl Harbor.
2. Mord schließt Verstümmelung mit ein; der Autopsiebericht bestätigt, dass sie vergewaltigt wurde.
3. Keine Verdächtigen.
4. Keine Tatzeugen. (Jedenfalls ist niemand bekannt, es sei denn, man zählt den Killer hinzu, und das tue ich nicht.)
5. Der Körper wurde kurz nach dem Mord entdeckt; der Mord wurde zur Anzeige gebracht. Dieser Zeuge hat zwar kein echtes Alibi, aber gehört nicht zur Gruppe der Verdächtigen.
Hanson reichte Clark den Stift und fragte: »Fällt dir noch was ein?«
Clark
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