Akt der Liebe - Lansdale, J: Akt der Liebe - Act of Love
Spülbecken und legte ihn auf das Abflussgitter, nahm ein Glas aus dem Hängeschrank und stellte es neben den Mantel, nahm ihn vorsichtig hoch, formte eine Seite des gefalteten Vinyls zu einer Art Rinne und füllte das Glas viertelvoll mit Blut. Er trank das Blut. Es war wie ein Elixier, kalt, geronnen, aber immer noch flüssig. Er nahm ein Messer aus der Schublade und begann, das Fleisch zu zerschneiden, um es einzufrieren.
TEIL EINS
DIE JAGD BEGINNT
Es ist der Feind,
von dem wir nicht erwarten,
dass er am gefährlichsten ist.
- ROJAS
Verbrechen sind verbreitet. Logik ist selten.
Daher ist es eher die Logik als das Verbrechen,
bei der man verweilen sollte.
- SHERLOCK HOLMES
Welches Lied die Sirenen sangen,
welchen Namen Achilles annahm,
als er sich zwischen Frauen verbarg, rätselhafte Fragen,
doch stehen sie außerhalb jeder Mutmaßung.
- SIR THOMAS BROWNE
Indizien sind Spuren von Schuld,
die der Verbrecher hinterlässt.
- THEODORE REIK, Mythen und Schuld
KAPITEL 1
MONTAG · 4.00 Uhr
Sein Name war Marvin Hanson.
Er war schwarz wie eine Kohlengrube und hässlich wie ein Affe. Er war Lieutenant bei der Polizei. In Zivil. Morddezernat. Er hatte kurze Arme und abnorm große Hände mit Fingern, so dick wie Dampfwürste. Fast einsachtzig groß, wirkte er jedoch wegen seiner breiten Schultern und seines Umfanges kein bisschen größer als einssiebzig. Seine drei engsten Freunde nannten ihn Gorilla. Für alle anderen war er Marvin, Mr Hanson oder Sir. Ein paar enge Mitarbeiter riefen ihn einfach Hanson. Nicht dass Hanson darauf bestanden hätte, er war einfach eine Persönlichkeit, die einem Respekt abnötigte, widerwilligen Respekt vielleicht, aber dennoch Respekt.
Momentan war Hanson nicht besonders gut aufgelegt. Um zwei Uhr morgens hatte ihn ein Anruf aus Rachels Armen geklingelt, raus aus dem warmen Bett und hinaus in die Nacht. Das, so vermutete er, war unter anderem der Preis, den man zahlen musste, wenn man Cop war. Permanent gestört zu werden, Unannehmlichkeiten und Ärger. Ganz zu schweigen von Magengeschwüren und Hämorrhoiden.
Trotz seiner Verstimmung war Hanson auch jetzt durch und durch Polizist. Einer von der rauen Sorte, mit allen Wassern gewaschen und um keinen miesen Trick verlegen. Er war erstaunlich gebildet, ein Autodidakt. Eine Eigenschaft,
die Leute oftmals in Erstaunen versetzte. Äußerlich wirkte er eher, als verbrächte er sein Leben damit, Streitigkeiten vom Zaun zu brechen und sich unbeliebt zu machen.
Wie Hanson seiner Tochter JoAnna mit Vorliebe erzählte, war er im Fifth Ward aufgewachsen, dann aber abgehauen, um das zu werden, was er immer hatte werden wollen. Ein Cop.
Gelegentlich bereute er diese Entscheidung, bereute, ein Cop geworden zu sein.
Heute Nacht war wieder so eine Gelegenheit. Dennoch war es eine Möglichkeit zur Flucht gewesen. Dem Ward zu entrinnen, raus aus dem Dreck und hinein in ein normales Leben.
Doch womöglich war ihm das gar nicht gelungen. Sicher, er lebte nicht mehr in diesen erbärmlichen Verhältnissen, aber seine Arbeit brachte ihn meistens dorthin zurück. Er kam aus dem Ward. Er kannte den Ward, und deswegen war er der richtige Polizist für den Ward. Das machte ihm den Ward nicht sympathischer. Ebenso wenig stärkte das die Sympathien des Ward für ihn. Man zollte ihm widerwillig Respekt, doch andererseits war er für sie immer noch einer aus Uptown, ein Onkel Tom, ein Niggerbulle. Er fand es seltsam, dass die Schwarzen sich über das Ghetto beklagten, weg wollten von dort, aber wenn jemand aus ihren Reihen es geschafft hatte, war er oder sie gleich ein Onkel Tom. Ziemlich paradox das Ganze.
Außer Hanson befanden sich noch zwei Männer in dem überhitzten, verqualmten Raum. Einer war sein Partner, ein großer, knochiger Weißer mit orangerotem Haar, grünen Augen und einem Hoppla-jetzt-komm-ich-Ausdruck im Gesicht. Sein schlechter Geschmack, was graue Anzüge
betraf, war noch stärker ausgeprägt als Hansons. Sein Name war Joe Clark. Gerade mal drei Jahre war er Detective als Zivilfahnder. Davor Streife gelaufen und davor Student der Kriminologie. Hanson hatte Kriminologen gegenüber Misstrauen entwickelt - aus gutem Grund. Die meisten von ihnen waren so hilfreich wie ein Revolver mit Ladehemmung. Sie beherrschten den technischen Kram, nahmen zum Beispiel Fingerabdrücke von Papier und analysierten Haare und Blut, aber sie konnten Wahrheit oder Lüge vom Gesicht eines Mannes ebenso wenig ablesen wie von
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