Akte Atlantis
annähernd das ganze Ausmaß der Katastrophe vorstellen, die damals über die Welt und alle, die auf ihr lebten, hereingebrochen sein musste.
»Ich bin zwar kein Geophysiker«, sagte Stevens leise, »aber ich kann kaum glauben, dass ein Komet, so groß er auch gewesen sein mag, derart gewaltige Verwüstungen anrichten kann. Das ist einfach unfassbar.«
»Vor fünfundsechzig Millionen Jahren sind die Dinosaurier ausgestorben, weil ein Komet oder ein Asteroid die Erde getroffen hat«, erinnerte ihn Giordino.
»Das muss ja ein gewaltiges Ding gewesen sein«, sagte Sandecker.
»Bei Kometen lässt sich das schwer sagen, weil sie im Gegensatz zu Asteroiden oder Meteoriten keine feste Masse haben«, trug Yeager vor. »Kometen bestehen aus Eis, Gasen und Gestein.«
Pat sprang ein und zitierte weiter aus den Inschriften, ohne ihre Notizen zu Rate zu ziehen. »Manche Erdbewohner überlebten, bestellten das Land oder jagten in den Bergen und Hochebenen. Sie entrannen den entsetzlichen Folgen der Katastrophe, weil sie unter der Erde oder in Höhlen Zuflucht fanden, sich von den kargen Pflanzen ernährten, die auch unter widrigen Bedingungen noch wuchsen, oder das kümmerliche Wild jagten, das noch übrig war. Viele verhungerten oder gingen an den giftigen Dämpfen zu Grunde, mit denen die Luft verpestet war. Nur ein paar wenige Amenes, die sich zufällig in höher gelegenen Gebieten aufhielten, als die Flutwellen über ihre Heimatstädte hinwegrasten, überlebten.«
»Die Geschichte einer Sintflut, wie wir sie alle kennen«, stellte Stevens fest. »Aber Berichte darüber finden sich bereits auf fünftausend Jahre alten Tontafeln aus Mesopotamien, aus der Zeit der Sumerer – im Gilgamesch-Epos wird die ganze Geschichte von Noah und der Arche vorweggenommen. Und sie kehren bei allen Völkern wieder, ob auf den steinernen Stelen der Mayas, den Keilschrifttexten babylonischer Priester oder in der mündlichen Überlieferung der nordamerikanischen Indianer.
Irgendwann, und davon dürfen wir zweifellos ausgehen, hat sich eine derartige Sintflut tatsächlich zugetragen.«
»Und dank der Amenes«, sagte Yeager, »wissen wir jetzt, dass sie sich etwa siebentausendeinhundert Jahre vor Christi Geburt ereignete.«
»Die Geschichte lehrt uns, dass gerade Hochkulturen anfällig sind«, merkte Stevens an. »Sie gehen mitunter ebenso rasch zu Grunde, wie sie aufgestiegen sind, sodass wir kaum etwas über sie in Erfahrung bringen können. Neunzig Prozent des Wissens, das die Menschen seit alters her besaßen, gerieten in Vergessenheit, weil die Menschheit entweder von Naturkatastrophen heimgesucht wurde oder sich gegenseitig vernichtete.«
Pitt nickte nachdrücklich. »Ein goldenes Zeitalter der Seefahrt, aber nichts ist davon geblieben als Inschriften in einer Felswand. Schade, dass sie nicht mehr hinterlassen haben.«
Sandecker stieß eine blaue Qualmwolke aus. »Hoffentlich ergeht es uns eines Tages nicht genauso.«
Pat ergriff wieder das Wort. »Die wenigen Überlebenden der Amenes bildeten eine verschworene Gemeinschaft, die sich fortan der Aufgabe widmete, die Steinzeitmenschen zu unterrichten, ihnen die schönen Künste nahe zu bringen und die Schrift, ihnen zu zeigen, wie man Häuser aus Stein baut und Schiffe, die übers Meer fahren können. Mit ihren Inschriften wollten sie künftige Generationen vor einer weiteren Katastrophe warnen, doch die Nachgeborenen, die den Einschlag des Kometen und die dadurch ausgelösten Verwüstungen nicht miterlebt hatten, wollten nicht daran glauben, dass sich ein so grauenhaftes Ereignis wiederholen könnte. Den Amenes wurde klar, dass ihre furchtbaren Erkenntnisse bald in Vergessenheit geraten und nur mehr als Sagen und Legenden überliefert werden würden. Daher versuchten sie ihr Vermächtnis durch den Bau steinerner Monumente zu hinterlassen, die die Jahrhunderte überdauern sollten und in die sie ihre Botschaft über Vergangenheit und Zukunft der Menschheit eingravierten. Die Megalithkultur, die sie schufen, breitete sich über weite Teile der Welt aus und währte rund viertausend Jahre. Doch im Laufe der Zeit verwitterten die Inschriften, und die zur Warnung gedachten Texte verschwanden. Nachdem die letzten Nachkommen der Amenes gestorben waren, kam es Jahrhunderte lang zu einer kulturellen Stagnation, bis die Sumerer und die Ägypter aus dem Dunkel der Geschichte traten sich auf die wenigen bruchstückhaften Erkenntnisse besannen, die aus der Vergangenheit überliefert waren, und
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