Akte Atlantis
unmittelbare Nähe der Erdumlaufbahn verirren könnte, mit Sicherheit nicht vor Ende des nächsten Jahrhunderts.«
»Was könnte denn sonst noch zu einer derartigen Katastrophe führen?«, fragte Yeager. »Gibt es eine Möglichkeit, eine Verschiebung der Erdkruste samt Polgebieten vorauszusagen?«
»Nein, nur wenn sich die Gelegenheit böte, ein solches Phänomen aus erster Hand zu untersuchen. Über Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunami-Wellen gibt es Aufzeichnungen und Augenzeugenberichte. Aber seit der Zeit der alten Griechen, die ja die Geowissenschaft erst begründeten, kam es zu keiner Verschiebung der Erdkruste. Daher besitzen wir keinerlei zuverlässige Daten, auf Grund deren wir die entsprechenden Rückschlüsse ziehen könnten, um eine Voraussage zu treffen.«
»Gibt es bestimmte Bedingungen, die eine Verschiebung der Kruste und der Polgebiete verursachen könnten?«, fragte Pitt.
»Ja«, antwortete Friend bedächtig. »Es gibt Naturkräfte, die die Erde aus dem Gleichgewicht bringen könnten.«
»Zum Beispiel?«
»Am ehesten käme dafür eine Veränderung der Eiskappen an den Polen in Frage.«
»Wäre das möglich?«
»Die Erde ist eine Art riesiger Kreisel, der sich ständig um seine eigene Achse dreht, während sie sich auf ihrer einjährigen Umlaufbahn um die Sonne bewegt. Und wie ein Kreisel läuft sie bei ihrer Drehung um die eigene Achse nicht völlig rund, weil die Anordnung der Pole und die Verteilung der Landmassen nicht ausgewogen sind. Die Erde taumelt also. Wenn nun die Eiskappen an den Polen zunehmen, wirkt sich das auf diese Taumelbewegung aus. Es ist so ähnlich, als hätte ein Rad an Ihrem Wagen eine Unwucht. Das könnte dann zu einer Krustenverschiebung und einer Verlagerung der Pole führen. Ich kenne angesehene Wissenschaftler, die der Meinung sind, so etwas ereigne sich regelmäßig.«
»Wie oft?«
»Ungefähr alle sechs- bis achttausend Jahre.«
»Wann zum letzten Mal?«
»Bei der Auswertung von Bohrkernen vom Tiefseeboden haben Ozeanographen festgestellt, dass die letzte Verschiebung vor etwa neuntausend Jahren stattfand, ungefähr zu der Zeit, als der Komet die Erde traf.«
»Man könnte also sagen, wir sind fällig«, sagte Pitt.
»Überfällig sogar.« Friend breitete hilflos die Hände aus.
»Aber zuverlässige Angaben können wir nicht machen. Wir wissen lediglich, dass diese Verlagerung, wenn es eines Tages dazu kommt, sehr plötzlich erfolgen wird. Ohne jede Vorwarnung.«
Loren schaute Friend beklommen an. »Was wird die Ursache sein?«
»Die Eismassen, die die Antarktis bedecken, sind nicht gleichmäßig verteilt. Auf der einen Seite hat sich deutlich mehr Eis gebildet als auf der anderen. Allein das Ross-Schelfeis wächst jedes Jahr um mehr als fünfzig Millionen Tonnen, eine gewaltige Masse, die das Taumeln der Erde verstärkt. Dadurch entstehen riesige Kräfte, die über die Erdkruste übertragen werden und eine Verschiebung auslösen könnten. Und dann bewegen sich die Polargebiete in Richtung Äquator. Gewaltige Eismassen werden abschmelzen, all die Naturgewalten, die beim Einschlag des Kometen entfesselt wurden, würden erneut freigesetzt werden. Der große Unterschied dabei ist, dass wir es nicht mehr mit einer Erdbevölkerung von rund einer Million zu tun haben wie vor neuntausend Jahren, sondern dass inzwischen sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben, und die würden allesamt in den Tod gerissen. New York, Tokio, Sydney und Los Angeles würden völlig überflutet, die weiter im Inland gelegenen Städte dem Erdboden gleichgemacht werden und verschwinden. Dort, wo wenige Tage zuvor noch Millionen Menschen unterwegs waren, würde kaum mehr ein Brocken Beton übrig bleiben.«
»Und wenn sich das Ross-Schelfeis plötzlich vom Kontinent lösen und aufs Meer hinaustreiben würde?«, erkundigte sich Pitt, an Friend gewandt.
Friend zog eine grimmige Miene. »Ein derartiges Ereignis haben wir bereits in Betracht gezogen. Unsere Simulation hat gezeigt, dass eine gravierende Verlagerung des Schelfeises zu einem Ungleichgewicht führen würde, das stark genug wäre, um eine jähe Verschiebung der Erdkruste auszulösen.«
»Was verstehen Sie unter einer gravierenden Verlagerung?«
»Wenn das gesamte Schelfeis abbrechen und rund hundert Kilometer weit aufs Meer hinaus driften sollte, das hat unsere Simulation ergeben, würde durch die Verlagerung dieser gewaltigen Masse die Taumelbewegung der Erde so sehr verstärkt werden, dass es zu einer
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