Akte Mosel
nutzt den Augenblick, um dem Fahrer den anderen Klumpen wieder aus der Hand zu nehmen. Als er die Erde wegspült, starren die Umstehenden mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen auf die Funde. Manche der Gräber sind bereits seit Jahrzehnten aktiv. Dies übertrifft alles, was sie bisher gefunden haben, bei weitem.
»Wenn ihr jetzt nicht Ruhe bewahrt, haben wir gleich die Leute vom Hotel hier.« Jo will retten, was noch zu retten ist.
»Dat da is pures Gold, laß’ mich mal droffbeißen«, meldet sich der Fahrer.
»Unterstehen Sie sich«, Jo graust es bei dem Gedanken, daß eine Münze durch den Biß dieses Banausen ihre Reinheit, die sie über viele Jahrhunderte bewahrt hat, und damit auch einen Großteil ihres Wertes, einbüßen könnte.
*
Vom Kockelsberg aus fährt Walde eine Spielplatzrunde durch das östliche Stadtgebiet und einige angrenzende Orte, ohne etwas Verdächtiges zu bemerken. Auf der Rückfahrt in Richtung Innenstadt zieht er vor einer roten Ampel sein Notizbuch aus dem Handschuhfach und tippt eine Nummer ins Telefon: »Tag, Robert, hier ist Walde, hast du noch einen Termin frei?«
»Hallo, lange nichts von dir gehört, laß’ mal sehen, der Terminkalender ist voll, aber du hast Glück, gerade hat mich ein unerzogenes junges Ding versetzt. Wo bist du?«
»An der Kaiser-Wilhelm-Brücke.«
»Wenn du mit Blaulicht fährst, nehme ich dich noch dran.«
Robert plaziert Walde in den Frisierstuhl am Fenster: »Diana bringt dir einen Kaffee und wäscht deinen Schopf, ich hole in der Zeit schon mal die Heckenschere.«
Er deutet auf das Pflaster. »Können wir das entfernen?«
»Besser nicht.«
»Darf es naß werden?«
Walde schüttelt den Kopf, und Robert verdreht die Augen.
Nach der Wäsche, bei der es Diana gelingt, das Pflaster trocken zu lassen, schlingt sich Walde ein Handtuch um den Kopf und blättert im Telefonbuch die letzten Namen unter dem Buchstaben S durch. Aachener Straße oder Martinerfeld ist die Adresse.
Waldes Finger ist bei Syman angekommen. Es ist nicht die richtige Adresse. Ein paar Einträge vorher stimmt die Straße mit den Angaben der Gesuchten überein. Walde greift zum Handy und steckt es zur Hälfte unters Handtuch, eine männliche Stimme meldet sich: »Hallo?«
»Bock, guten Tag, ist Ihre Tochter schon aus dem Krankenhaus entlassen?«
»Wer ist da?«
»Bock!«
»Wen wollen Sie sprechen?«
»Ihre Tochter«, Walde stutzt, die Stimme hörte sich nicht älter als 30 Jahre an. »Oder Ihre Schwester, ist sie zuhause?«
»Ich habe keine Tochter, und meine Schwester wohnt nicht hier.«
»Na dann entschuldigen Sie die Störung.«
Harry ist nicht erreichbar. Ein Beamter aus der Telefonzentrale des Präsidiums nimmt die Adresse entgegen und verspricht zurückzurufen, sobald er die Daten der Hausbewohner aus dem Einwohnermeldeverzeichnis gesucht hat.
Am Fenster bleibt ein Kind stehen und zeigt seiner Mutter den Mann mit dem Telefon im Turban.
Robert tritt an seinen Stuhl, wickelt das Handtuch von Waldes Kopf und meint: »Immer dem Verbrechen auf der Spur. Aber mach’ ruhig weiter, jage du die Verbrecher, und ich versuche, deine Haarpracht zu bändigen. Wie ist es mit einem modischen Kurzhaarschnitt, 8 bis 12 mm, in der Stirn etwas länger und dazu eine leichte Tönung?«
Waldes Hände umklammern die Lehnen, sein Oberkörper schnellt nach vorn.
»War nur ein kleines Witzchen, bleib’ sitzen, Waldemar. Also wie immer, und die Ohren bleiben drin in den Haaren?«
»Und dran am Kopf«, ergänzt Walde.
»Bitte, mit der alten Geschichte muß doch wirklich mal Schluß sein, du weißt, wie peinlich mir das ist.« Robert schaut nach links, ob jemand zuhört. »Ich habe deine … Physiognomie noch nicht gekannt und bei den dichten Locken …«
»… hast du nicht vermutet, daß du schon mein Ohr in der Schere hattest«, unterbricht ihn Walde.
»Du mußt aber auch zugeben, daß deine Ohren, obwohl du ja insgesamt groß bist …«
»… so groß sind sie gar nicht, sie stehen nur etwas ab, ich habe als Kind eine Zeit lang mit einem Stirnband über den Ohren geschlafen und mir eine Art Zahnspangeneffekt erhofft.«
Waldes Telefon niest, er hält es an das rechte Ohr, weil Robert an der anderen Seite schnippelt.
»Gesundheit!«
»Danke. Ja, Bock?«
Er hört eine Weile zu, dann bedankt er sich und schaltet den Apparat ab: »Ganz schön frech, dann ist sie also verheiratet.«
»Schwindlerin?« fragt Robert.
»Warum?« Walde schaut fragend in Roberts
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