Akte Mosel
Interesse an Trier und seiner Geschichte verbindet ihn mit jedem Touristen, aber jetzt versucht er, die Frau zu ignorieren. Die anderen arbeiten ebenfalls weiter.
»Da hinnen liejen echte Ziejel von de Römern«, gibt der Fahrer Auskunft.
Keiner der anderen blickt auf. Die Besucherin bleibt. Als ein dicker Klumpen Dreck vor ihren Sandalen landet, weicht sie ein paar Schritte zurück. Die Männer lassen sie deutlich spüren, daß ein Kiebitzer nicht erwünscht ist. Schließlich schlendert sie zwischen den Erdhaufen weiter.
Jetzt folgen Entdeckungen reihum, kaum eine Minute vergeht, in der nicht eine oder mehrere Münzen aus dem Hügel, der zunehmend flacher wird, gefischt werden.
Jo gehen tausend Gedanken durch den Kopf, die nur um einen Wunsch kreisen: das behalten zu dürfen, was er gefunden hat. Er freut sich über jede Münze, die die Kollegen finden. Er selbst entdeckt, außer einem größeren Stück Bronze, nichts mehr. Als der Hügel nach einer dreiviertel Stunde restlos abgetragen ist, wird nun Schicht um Schicht mit den Geräten abgesucht. Wie erwartet, sind nur wenige Münzen übersehen worden.
»Kommen Sie mit, ich besorg’ was zu trinken«, fordert Jo den Fahrer auf, der immer noch gespannt die Grabungen verfolgt.
Im Restaurant des Hotels bedarf es einiger Überredungskünste, bis die Dame am Tresen dazu bereit ist, Flaschenbier zu verkaufen. Die kellerkühle Kiste, die beide schließlich zur Grabungsstelle tragen, kostet fast das Dreifache des üblichen Handelspreises. Im Schatten des Waldrandes, 50 Meter von der Grabungsstelle entfernt, stellen sie die Kiste ab.
»Ich geh’ den Laster holen und stell’en quer hin, dann hann die da hinnen nix mehr ze glotzen.«
Damit sind die Beobachter von der Hotelterrasse gemeint, wo inzwischen nur noch zwei Tische besetzt sind. Offensichtlich hat dort jedoch niemand etwas von dem Schatzfund bemerkt.
»Ich schlage vor, wir machen jetzt alle eine Pause, dahinten stehen ein paar Bierchen«, Jo betont das Wort alle und greift nach seiner Tasche. Am liebsten hätte er sie sich beim Bierholen umgehängt, aber das wäre ein Affront gegenüber seinen Kollegen gewesen, den er nur schwer hätte wieder gutmachen können.
In einem engen Kreis hocken die Männer, alle mit einer Bierflasche vor sich, wie die Indianer ums Lagerfeuer. Jeder hat seinen Fund zutage gefördert. Anstatt eines Feuers bilden ungefähr 300 Aurei eine mehr als zwei Kilogramm schwere Quelle der Wärme in ihrer Mitte. Zwischen 15 und 60 Münzen schwankt die Ausbeute der Einzelnen. Schon eine einzige Münze hätte unter normalen Umständen für jeden der Gräber eine Sensation bedeutet, aber heute ist kein normaler Tag. Wer heute zu Hause geblieben ist, weil es ihm zu heiß ist, wer zur Arbeit gehen muß, wer einen Arzttermin hat, einkaufen geht oder sonst wie verhindert ist, wird sich vielleicht sein Leben lang grämen, nicht dabei gewesen zu sein. Wenn in vielen Jahren einer beim Treffen der Münzfreunde sagen wird ‘Der da war dabei’, dann wird bestimmt niemand fragen, wobei!
»Guckt mal, wat ich am Hinnerreifen klewen hat«, der Fahrer hält eine Goldmünze hoch, die eine leichte Rundung aufweist. »Aber dat ist ja wohl net alles, ich hann die Shore hier angekarrt, und ihr steckt se inn, wat springt dann für mich raus?«
Hieraus erwächst eine lebhafte Diskussion, wer welchen Anteil zu zahlen hat.
Jo hört nicht zu, seine Gedanken kreisen um das Stück Bronze. Er dreht es in seinen Händen. Nur an der einen Seite klebt Erde. Offenbar hat es einmal zu einem Gefäß gehört. Als er mit zwei Fingern Anhaftungen abkratzen will, ritzt er sich die Haut ein. Die Ränder glänzen und weisen keine Patina auf. Woher kommt die scharfe Kante? Kann es sein, daß dies ein Teil eines Gefäßes war, in dem sich der Schatz befand? Hat der Bagger es beim Aushub zerstört? Liegen die anderen Teile noch in der Baugrube an der Schwesterklinik? Wenn dem so wäre, dann ist nicht ausgeschlossen, daß hier nur ein Teil des Schatzes abgeladen wurde und der Rest noch in der Baugrube liegt.
Jos Gedanken werden unterbrochen. Jemand tippt ihn am Oberarm. »Was hältst du davon?«
»Wovon?«
»Jeder gibt 10 Prozent ab«, wird er mit einer Handbewegung in Richtung Fahrer aufgeklärt.
»Ja, und was ist mit dem Museum?« Jos Frage löst sichtliche Verlegenheit im Kreis aus.
»Dann sind wir alles los, römische Goldmünzen rücken die doch bestimmt nicht mehr heraus«, läßt sich einer im Kreis vernehmen.
»In der
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