Akte Mosel
Luxair.
Ab und zu begleitet Walde, teils aus Freundschaft, teils aus Interesse, Jo auf seinen Grabungstouren. Vor ein paar Wochen waren sie in einer Kiesgrube, die mit Bauschutt aufgefüllt wird. Sie hatten – eigentlich war es nur Jo – ein paar Münzen aus dem Mittelalter gefunden.
»He, was willst du denn damit?« Jo schaut kurz auf.
»Sind doch römische oder nicht?«
»Klar sind es römische, aber wer sammelt denn so was? Die ganze Stadt ist voll davon, wenn wir die jetzt auch noch behalten wollten, wo kämen wir denn da hin?« Jo schüttelt den Kopf.
Sein Interesse wird durch einen ankommenden Lkw abgelenkt. Der Fahrer wendet und legt den Rückwärtsgang ein. Jo schnappt sich schnell Gerät, Hacke und Tasche und stapft aus dem Bereich, wo abgekippt wird.
»So, dat war’s für die Woch!« ruft der Fahrer, als die Ladung vom Kipper gerutscht ist und er die Klappe verriegelt.
»Komm, wir trinken noch einen«, lädt ihn einer der Gräber ein. Es ist sinnvoll, sich mit den Fahrern der Baufirmen gut zu stellen. Sie sitzen an der Quelle und geben oft wertvolle Tips, wo ›römisch kontaminiertes‹ Material abgekippt wird.
»Behal’ die warm’ Brüh!«
»Ist aus der Kühltasche, komm’ in den Schatten«, entgegnet der Gräber und geht zu einer großen Tasche, die ein Stück entfernt im Schatten eines Baumes steht. Den beiden trottet ein weiterer Hobbyarchäologe nach. Gleich darauf zischen die Bierflaschen.
»Jo, ich düse zurück, soll ich dich nachher abholen?« Walde ist die Situation unangenehm. Er hat nicht damit gerechnet, daß so viele andere Gräber da sind; dazu kommen noch die Beobachter von der Terrasse. Einer hat vorhin ein Foto geschossen; Walde hat ihm im letzten Moment den Rücken zugedreht.
»Du kannst das Gerät haben«, bietet Jo an.
»Nein danke, mach’ ruhig weiter, wann soll ich dich ab holen?«
»Ich komme schon zurück, nimm nur bitte deine Ziegel mit.« Jos Interesse wendet sich wieder dem Hügel zu. Gerade hat er etwas gesehen, das plötzlich seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Etwas hat kurz aufgeblitzt und ist dann wieder unter den nachrutschenden Erdbrocken verschwunden. Das Suchgerät legt er hinter sich und gräbt jetzt mit der Hacke und der linken Hand. Er fühlt wie seine Körpertemperatur sprunghaft steigt. Der Schweiß schießt aus allen Poren.
Plötzlich hält er eine Münze in der Hand. Sie hat etwa die Größe eines Fünfzigpfennigstücks, wiegt aber viel schwerer. Er dreht sich suchend nach Walde um, aber der ist schon weggefahren.
Er muß sich zusammenreißen, sonst buddelt er wie ein hungriges Wildschwein, das im tiefsten Winter ein Eichhörnchendepot entdeckt hat. Noch nie haben ihn drei Schritte in seinem Leben so viel Überwindung gekostet, wie die, um zu seiner Tasche zu gehen und die Feldflasche herauszunehmen. Er trinkt einen tiefen Schluck und schüttet dann ein paar Tropfen über Kopf und Nacken. Er nimmt ein großes Stofftaschentuch und verknotet die Enden, bevor er es sich über den Kopf legt. Dann schüttet er Wasser über die Münze, die sich sofort in ihrer vollen Pracht zeigt. Das alles kommt ihm bekannt vor, ein déjà vu – woher? Jo überlegt, wo er so etwas schon einmal erlebt hat.
Ein Aureus, das ist pures Gold! Die Münze glänzt in der Sonne. Sie ist makellos, wie das Prunkstück aus einer Museumsvitrine. An der Aufschrift kann er auf den ersten Blick feststellen, daß sie römischen Ursprungs ist.
Jetzt kann Jo nachfühlen, wie es den Goldsuchern gegangen ist, wenn sie auf eine Goldmine gestoßen sind. Er, der den Weinrausch zur Genüge kennt, verfällt dem Goldrausch. Er spürt, wie eine Gänsehaut über seinen Körper läuft, wie sich alle Haare auf seiner Haut aufstellen und sich der Schweiß auf einmal ganz kalt anfühlt.
Betont langsam, es kommt ihm vor wie in Zeitlupe, geht er zur Fundstelle zurück und gräbt – wie er sich einbildet – ganz ruhig weiter. Das Tempo ist in Wirklichkeit so hoch, daß die beiden Gräber, die nicht zur Bierrunde mitgegangen sind, herbeikommen und nun von der anderen Seite Jos Erdhügel beharken.
»Ganz schön heiß heut’, Jo!«
Als Jo antworten will, muß er sich zweimal räuspern, bis er herausbringt: »Ja, meine Kehle ist schon wieder wie ausgetrocknet.«
Er blickt dabei nicht auf. Er ist kein geübter Lügner. Sein Gesicht fühlt sich heiß an. Bestimmt ist es dunkelrot. Wenn sie ihn nach einem Fund fragen, würde er nichts verheimlichen können. Er gräbt wieder mit Hacke
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