Akte Mosel
Tat, mit einer Rückgabe ist nicht zu rechnen, aber wenn wir sie nicht abliefern, wird es Ärger geben. Oder meint ihr, das hier bleibt unter uns?« gibt Jo zu bedenken.
Manche nicken, einige schauen skeptisch.
»Wat is, wollt ihr mich linken?« der Fahrer zieht seine verschwitzte Baseballkappe vom Kopf und streckt sie in die Mitte. Als von allen Seiten Münzen hineingelegt werden, gibt Jo seufzend ein Stück hinzu, das sich von den zusammengebackenen Münzen, die der Fahrer vorhin schon in den Händen gehalten hat, gelöst hat.
»War heute keiner vom Landesmuseum auf der Baustelle?« wendet sich Jo an den Fahrer, der seinen Mützeninhalt untersucht.
»Die hann irjend so’nen Brunnen beguckt. Mein letzt’ Fuhr war von nem Fundament, dat net tief genuch war. Den Architekt hat den Bagger noch tiefer grawen lassen, weil morjen ja de Beddon kommt.«
»Morgen ist doch Samstag, da wird betoniert?«
»Dat Parkdeck muß feddig werden, sonst git et wat von de Schwestern auf den Deckel, hat de Chef gesagt. Damit hann eich aber nix zu tun. Dat macht de Readimix, ich hann’ morjen frei.«
In Jos Kopf beginnen die Gedanken zu rasen. Ein Fundament, das morgen betoniert wird. Sollte sich dort noch ein Rest des Schatzes befinden, ist er unwiederbringlich verloren. Er schaut auf die Uhr, 21 Uhr. Die Dämmerung setzt bereits ein.
Jo läßt den Fahrer stehen, der sich wieder der Grabung zuwendet und geht zu seiner Tasche. In seiner Geldbörse hat er noch ungefähr 12 Mark.
An der Rezeption des Hotels wählt er die Privatnummer von Dr. Zelig, dem Grabungsleiter des Landesmuse – ums, und gerät an dessen Anrufbeantworter. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, legt er auf. Er beschließt, es später noch einmal zu versuchen und ruft zuhause an: »Marie, es kann später werden.«
»Soll ich dich abholen?«
»Weiß noch nicht, ich melde mich später nochmal.«
Als er zur Grabungsstelle zurückeilt, bleiben Jos Gedanken bei Marie. Sie hat sensible Antennen, die ohne Worte die Situation erfassen, sie wird bestimmt wach bleiben und auf seinen Anruf warten.
*
Doris wird von einem dumpfen Knall geweckt. War es ein Unfall auf der Straße, oder hat die Katze etwas hinuntergeworfen?
Es ist später Nachmittag. Durch das Fenster dringt das dumpfe Brausen des Feierabendverkehrs. Sie zieht ein dünnes, knielanges Kleid und Sandalen an.
Als sie zum Einkaufen aus dem Haus geht, muß sie sich an einem eng an der Hauswand stehenden Tieflader vorbeidrücken. Die Raupe ist gerade erst abgeladen worden. Das hat wohl zum abrupten Ende ihres Schlafes geführt.
Durch die enge Gasse Sieh um Dich gelangt sie zum Domfreihof. Der Platz liegt im gleißenden Sonnenlicht. Die Blätter der Platanen beschatten nur den Bouleplatz. Eine Nonnengruppe kreuzt ihren Weg und verschwindet im Eingang zum Dom.
Die Straßencafés rund um den Hauptmarkt sind besetzt. Doris schlängelt sich zwischen den Marktständen hindurch zur Fleischstraße. Als sie an der Straßenterrasse der Brasserie vorbeikommt, wird sie am Arm angetippt.
»Wohin so schnell, meine Dame?«
Günther Hecht, heller Leinenanzug, der genialste und moralisch verkommenste Anwalt der Stadt, geschniegelt und herausgeputzt wie immer, sitzt allein unter einem Sonnenschirm.
»Tag, Günther.«
»Komm, setz’ dich, ich lade dich ein!«
»Gut, einen Kaffee, aber dann muß ich einkaufen.«
Doris läßt sich an Hechts Tisch nieder. So kurz nach dem Aufwachen ist ihr Denkapparat zu langsam, um eine plausible und halbwegs höfliche Absage zu formulieren. Hecht winkt der Bedienung und bestellt Kaffee und Cognac.
Auf der Straße flanieren mehr oder weniger spärlich bekleidete Passanten vorbei. Den Terrassengästen zeigt ein gegenüberliegendes Kaufhaus seine plastikverkleidete Breitseite. In einiger Entfernung gleitet der gläserne Fahrstuhl an der Akademischen Buchhandlung lautlos auf und ab.
Die Bedienung bringt Doris’ Kaffee und zwei Cognac.
»Danke für die Einladung, aber bitte nur Kaffee.«
»Sorry«, Hecht legt beschwichtigend eine Hand auf Doris’ Arm. »Einspruch stattgegeben, der Schriftführer wird gebeten, den Cognac aus dem Protokoll zu streichen.«
Doris rührt in ihrem Kaffee, obwohl sie ihn schwarz und ohne Zucker trinkt.
»Du scheinst schon länger Feierabend zu haben«, bemerkt Doris mit Blick auf den Bierdeckel, den eine Handvoll Kreuze zieren.
»Das Gericht hat Ferien, für Ehescheidungen ist es zu heiß, und den Rest erledigen meine Mädchen«, er mustert sie:
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