Akte Mosel
zweimal versucht zu erreichen. Beim letzten Mal, es war gegen 23 Uhr, habe ich Ihnen eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Ich hatte überhaupt keine andere Wahl. Was hätte ich tun sollen? Die Polizei informieren? Meinen Sie, die hätten auf die Vermutung eines Hobbygräbers hin die Baustelle der Klinik gesperrt und unter Bewachung gestellt?«
Zelig kratzt sich hinter dem Ohr, eine Handbewegung, die er unbewußt ausführt, wenn es knifflig wird. Ohne es zu wissen, verrät er damit in seiner Skatrunde, wenn der Inhalt des Stockes überhaupt nicht dem entspricht, was er für sein Spiel dringend benötigt.
»Wer sagt mir denn, daß das, was Sie abgeliefert haben, alles ist, was gefunden wurde?« fragt Zelig.
»Na hören Sie mal, dann hätte ich doch besser gleich alles behalten, und heute wären ein paar hundert Kubikmeter Beton über das Ganze geflossen und hätten alle Spuren beseitigt. Ich bin Beamter, habe einen Amtseid geleistet und bekleide einen Posten, von dessen Salär ich durchaus leben kann, ohne nachts fremde Baustellen plündern zu müssen.«
»So war das nicht gemeint, ich habe Sie nicht in Verdacht, etwas unterschlagen zu haben. Aber Sie waren doch bestimmt nicht allein?« Zeugs Stimme klingt auf einmal erregt, die ganze Situation ist ihm unangenehm.
»Was die Baustelle betrifft, so habe ich sie allein aufgesucht. Ob vor oder nach mir jemand dort war, kann ich nicht sagen.«
»Und wer war am Kockelsberg dabei?« bohrt Zelig weiter.
»Da möchte ich mich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen. Bitte haben Sie dafür Verständnis, Sie kennen die Situation.«
»Das heißt, Sie waren dort nicht allein?«
»Diese Frage möchte ich nicht beantworten.«
»Was soviel wie ja bedeutet.«
Am Nebentisch haben sich Gäste niedergelassen.
»Gehen wir besser rüber in mein Büro«, schlägt Zelig vor.
»Ich dachte, Sie bringen mich nach dem Verhör erstmal zum Erkennungsdienst«, murmelt Jo, als Zelig die Kellnerin herbeiwinkt.
Im Verwaltungstrakt schauen sie ins Labor, wo der Museumsfotograf seine Ausrüstung vor dem Tisch aufbaut, auf dem die aufgeschnittene Plastiktüte mit den herausquellenden Münzen liegt.
»Herr Dr. Zelig, eben kam ein Anruf für Sie, es hörte sich dringend an, ich habe die Nummer notiert«, Frau Müntefering gibt Zelig einen Zettel.
In seinem Büro angelangt, greift Zelig zum Telefon: »Zelig, guten Tag, Sie haben angerufen.«
Er hört eine Weile zu, dann sagt er:
»Ich schlage vor, Sie kommen zu mir ins Museum, geht es in einer Stunde?«
»Gut, melden Sie sich bitte beim Pförtner. Bis gleich, auf Wiederhören«.
Zelig drückt die Gabel des Apparates: »Damit wäre die letzte Frage beantwortet, ohne daß Sie Ihre Kollegen preisgeben müssen«, wendet er sich wieder Jo zu. »Ich bekomme gleich Besuch von zwei Herren, die ebenfalls fündig wurden und über 100 Aurei abliefern möchten.«
Jo lehnt sich entspannt zurück: »Dann klärt die Sache sich wohl von selbst. Falls Sie keine weiteren Fragen haben, möchte ich mich verabschieden. Wir wollen morgen in Urlaub fahren, vielleicht können wir die Abreise um ein paar Tage verschieben. Könnten Sie so freundlich sein und mir eine Quittung über den Fund geben?«
Zelig zieht ein Blatt aus der Schreibtischschublade und füllt es handschriftlich aus.
»Ich habe eine vorläufige Schätzung von 1.500 bis 2.000 Aurei notiert. Die genaue Zahl wird wohl nicht so schnell ermittelt werden können.«
»Vielleicht klappt es ja bis Weihnachten, und das Christkind bringt den Finderlohn«, bemerkt Jo.
»Da stehen allerdings noch viele Fragen offen«, sagt Zelig, der aufgestanden ist, um Jo zum Ausgang zu begleiten.
Auf dem Weg durch den Palastgarten zur Bushaltestelle schwirren Jo Zeligs letzte Worte durch den Kopf. Was heißt das? Welche Probleme sollte es noch geben? Bisher wurde es so gehandhabt, daß alle Funde beim Museum abgeliefert wurden und das meiste nach einer Weile wieder an die Finder zurückgegeben wurde. Manchmal wird ein Stück, das bis dato noch nicht im Museumsfundus vorhanden ist, gegen einen geringen Obolus angekauft. Mit einer Rückgabe des gestrigen Fundes ist nicht zu rechnen, aber eine entsprechende Abfindung steht ihm gewiß zu.
Im Bus kann Jo der Versuchung nicht widerstehen, die Augen zu schließen. Das monotone Brummen des Motors reicht aus, ihn einnicken zu lassen. An der Endstation weckt ihn der Fahrer. Der Motor ist abgestellt, und alle Türen sind geöffnet. Jo taumelt
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