Akte Mosel
sich als erster und schneidet die Tüte mit einer Schere auf, und der prachtvolle Münzhaufen wird sichtbar.
»Das ist ja Wahnsinn!« Frau Müntefering kann ihre Begeisterung nicht zurückhalten.
»Wie haben Sie die Münzen in die Tüte getan, einzeln oder in größeren Einheiten?« Zelig hat sich über den Eimer gebeugt, in dem der Rest des Bronzegefäßes mit dem Münzklumpen liegt.
»Hier im Eimer ist das Gefäß, das sich meiner Vermutung nach noch an seinem ursprünglichen Platz befand. Ich habe es mit den Erdanhaftungen in den Eimer gestellt. Die Münzen in der Plastiktüte lagen zum Teil im Abraum am Kockelsberg, und den größten Teil fand ich auf der Baustelle selbst, unweit des Bronzegefäßes. Ich vermute, der Bagger hat es zerrissen, und ein Teil der Münzen kam auf den Lkw, und der andere Teil wurde wieder auf der Baustelle abgekippt.«
»Das heißt, wir müssen uns auf das Originalgefäß konzentrieren und versuchen, hier Spuren zu finden, wie es zu dieser Anhäufung von Aurei kam. Vielleicht haben wir an der Fundstelle Glück und finden da noch was.« Zelig ist in seinem Element, er ist hier Herr im Haus, solange der Chef in Griechenland weilt – sein letzter Urlaub vor der Pensionierung. Der neue Chef steht schon in den Startlöchern. Der Wechsel kommt für den Obercustos zu früh, er ist noch zu jung, um sich aussichtsreich um das Amt des Museumsleiters bewerben zu können.
»Dann kann’s ja losgehen«, Zelig klatscht in die Hände.
»Das Ganze fotografieren, Münze für Münze verpacken und zwischendurch immer wieder einzelne Aufnahmen machen, das Gefäß bleibt natürlich so, wie es ist, und dann alles in den Tresor. Und … ich bitte um absolutes Stillschweigen. Wir können uns in dieser Phase keine Sensationsmeldung vom Fund eines Goldschatzes in Trier leisten. Dann haben wir hier im Nu einen Goldrausch und alle Hobbygräber im Umkreis von 500 Kilometer am Hals.« Zelig dreht sich zu Jo um. »Entschuldigen Sie, Herr Dr. Ganz, Sie wissen, wie es gemeint ist! Kommen Sie, wir gehen in mein Büro.«
Zeugs Stimme läßt Jo zusammenzucken, der Sekundenschlaf hat ihn gepackt.
Der Obercustos ist aufgestanden und macht eine auffordernde Handbewegung zur Tür.
»Bekomm’ ich keine Quittung, ich weiß ja gar nicht, wie viele es sind?« fragt Jo benebelt.
»Das werden wir heute nicht feststellen können. Bis wir den Inhalt des Gefäßes untersucht haben, können Monate vergehen. Das besprechen wir in meinem Büro, oder sollen wir ins Museumscafé gehen?« Die Kopfschmerzen sind weg, sogar ein leichtes Hungergefühl hat sich bei Zelig eingestellt.
*
Doris wacht früh auf. Auf der Fahrt hat sie die Jutetasche auf dem Beifahrersitz stehen. Beim Tanken gleich hinter der Luxemburger Grenze hängt sie sich die Tasche um. Im Einkaufszentrum Auchan parkt sie in der Tiefgarage. Hier ist alles viel weitläufiger als im Konstantinparkhaus in Trier. Dennoch macht sie einen Bogen um die Pfeiler. In der Boutiquenpassage kauft sie sich eine schicke Tasche, in die sie den Beutel samt Inhalt steckt. Es ist noch viel Zeit bis 10 Uhr. Nach dem Erstehen von zwei Paar eleganten Schuhen läßt sie sich in der Parfümerie einige Düfte vorführen. Gutes Parfüm beruhigt sie. Nur ein paar Tropfen, und sie fühlt sich wie in einem heimeligen Kokon. Als sie gerade ein teures Parfüm bezahlt, erscheint Marie in der Ladentür.
»Hallo Marie, laß’ uns einen Kaffee trinken gehen.«
Auf der Rolltreppe wendet Marie sich um: »Ich habe ein Häufchen Elend erwartet, den Eindruck machst du auf mich aber ganz und gar nicht.«
Doris erzählt Marie, was sich am gestrigen Abend zugetragen hat.
»Das darf doch nicht wahr sein, du hast doch Freunde, die dir weitergeholfen hätten. Wenn jeder, dem die Bank mal den Hahn abdreht, gleich durchdreht … ich kann dich nicht verstehen!«
»Ich verstehe mich selbst nicht, ich hab’ einen Aussetzer gehabt, ein Blackout oder so. Es ist über mich gekommen, dem Räumer eins auszuwischen und mir eine Entschädigung zu holen.«
»Vielleicht weiß ein Anwalt Rat.«
»Hab’ ich mir alles schon überlegt, aber …«
»Und was ist mit Walde?«
»Dann kann ich mich gleich der Polizei stellen. Vergiß’ es!«
»Und wenn ich mit ihm rede oder Jo, ohne Namen zu nennen?«
»Hast du’s Jo erzählt?«
»Nein, Jo hat im Moment selbst genug am Hals, gestern scheint wirklich etwas in der Luft gelegen zu haben.«
»Ich habe ziemlich hart zugeschlagen. Im Fall, daß es Räumer wäre, hätte
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