Akte Mosel
der Gefahr, daß sie unter der Last hinunterrutschen und das Sahnehäubchen auf sein Debakel setzen würde, möchte er sich nicht aussetzen.
»Mama hat verloren und Papa hat sie gemetzgert«, hört er die Tochter sagen, die sich aus ihrer Verkrampfung gelöst hat.
Jetzt einfach davonlaufen, zurück in seine Wohnung, unten anrufen und versuchen, alles am Telefon zu erklären.
»Was heißt gemetzgert?« Walde schaut bei der Frage niemanden direkt an.
»Das ist ein Kartenspiel«, erklärt die Tochter, »und wer verloren hat, muß seine Hand vorstrecken und wird vom Sieger gemetzgert. Bei Kreuz wird die Haut umgedreht, bei Herz gestreichelt, bei Karo gehauen, und bei Pik gibt’s eine Nuß.«
»Das hat sich aber nicht nach einem Kartenspiel angehört.« Walde spürt, daß er langsam seine Fassung wiedergewinnt. Er darf jetzt keine Unsicherheit zeigen, sonst kann er die Stadt wechseln. Auch wenn ihm jetzt ein Teil seines Gemachtes aus der Hose hängen sollte, es kommt nur darauf an, die Contenance zu wahren.
Walde tritt die Flucht nach vorn an: »Wie würden Sie denn auf Schreie, Hilferufe und Gepolter reagieren? Einfach weghören? Ich bin Polizist und in einer solchen Situation noch eher zum Eingreifen verpflichtet als ein normaler Bürger. Seien Sie froh, daß keiner der Nachbarn die Polizei gerufen hat. Wenn die Kollegen angerückt wären, dann hätten Sie jetzt eine Klage wegen Ruhestörung am Hals.«
Die Zocker schweigen, und bei Walde kehrt wieder das peinliche Gefühl zurück, eine vollkommen lächerliche Figur abzugeben. Er nimmt seine Waffe nach vorn, sichert sie, läßt das Magazin kurz aufschnappen und schiebt es dann wieder zurück.
»So, ich hoffe, es ist wieder alles in Ordnung, dann kann ich ja wieder nach oben gehen. Auf Wiedersehen.«
Die Ehefrau begleitet ihn in die Diele, in der die Korridortür noch offen steht und murmelt eine undeutliche Entschuldigung, als sie die Tür hinter ihm schließt. Beim Treppensteigen hört Walde, wie die Wohnungstür wieder geöffnet und der Schlüssel abgezogen wird.
Bisher hatte, wenn jemand zu Hause war, immer der Schlüssel außen in der Korridortür gesteckt, heute steckte er dort zum letzten Mal.
Kaum ist er in der Wohnung, klingelt das Telefon.
»Bock, ja?« meldet sich Walde, er versucht, mürrisch zu klingen.
»Was ist denn mit dir los?« fragt Jo.
»Nix, warum fragst du? Was soll denn sein?« Walde hat seine vom Schreck erholten Nachbarn am Telefon erwartet.
»Okay, ist ja schon gut. Wir müssen uns treffen. Kannst du zu uns kommen? Es ist gestern noch was am Kockelsberg gelaufen.«
»Wohl jede Menge Schweiß, so wie du gleich losgelegt hast.«
»Das auch, aber es wäre wirklich gut, wenn du kommen könntest.«
»Gut, ich habe hier noch ein wenig zu tun, dann komme ich.«
»Danke, bis nachher.« Jo legt auf und geht ins Bad. Marie duscht in der gläsernen Kabine. Ihr Rücken ist so braun wie damals, als er sie bei der Weinlese kennengelernt hat. Sie dreht sich um. Wasser läuft über ihr schwarzes Haar und das Gesicht. Als sie Jo erblickt, lächelt sie und winkt ihn herbei.
»Komm rein!«
Das Wasser läuft flächig von ihrer Haut ab. Ihre Schulter ist angenehm kühl an seinen Lippen. Er dreht sie um, und seine Nase wühlt sich in ihre nassen Haare. Seine Hände gleiten an ihren Oberschenkeln hoch über ihren Bauch und umfassen ihre Brüste. Sie drückt sich mit den Händen von der Wand ab und schmiegt sich fest an ihn. Der Wasserstrahl ist beim Küssen auf ihren Gesichtern. Marie hat die Augen geschlossen und stellt sich vor, unter einem Wasserfall, irgendwo im tropischen Regenwald zu stehen. Sie genießt es, wenn er sie so begehrt. Vier Hände sollte er haben, um sie überall gleichzeitig zu berühren und an sich zu ziehen. Sie kommt ihm leicht entgegen und überläßt ihm die Initiative.
Tropfnaß und tief umschlungen schlüpfen sie aus der Dusche ins Schlafzimmer, wo Marie ihre Passivität aufgibt.
Als Walde klingelt, hat Jo gerade die Kaffeemaschine angestellt.
»Was hast du denn da in der Schachtel, Walde, einen abgeschnittenen Kopf?«
»Du liest die falschen Romane. Ich weiß doch, warum du mich eingeladen hast.«
»Du hast doch nicht etwa, ist da wirklich, och, das ist aber nett …«
»Du Gierschlund!«
»Erstick’ dran, ich geh zur Klosterschenke Kuchen essen.«
Bei diesen Worten hat Jo drei Gedecke auf den Tisch gelegt und gießt nun Kaffee in die Tassen.
»Ich habe gestern abend versucht, dich zu erreichen, aber du warst
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