Akte Mosel
ausgestanden?« fragt Marie.
»Noch nicht, erst mal muß Räumer das Schreiben haben und seinen Schläger zurückpfeifen. Deshalb wäre ich froh, ich könnte dir heute bei den Urlaubsvorbereitungen helfen und wäre damit aus der Schußlinie.«
Unterwegs nach Pfalzel kaufen sie im Supermarkt Lebensmittel und Getränke, von denen sie eine Kiste Sprudel für Jo zur Kiesgrube bringen. Über eine schmale Teerstraße pendeln matschverschmierte Lkw’s zwischen einem Landesteg an der Mosel, an dem ein Löffelbagger aus einem Lastkahn eine tropfende braune Masse lädt, und einer öden Mondlandschaft aus Lehm und Steinen. Jo kommt erst nach mehrmaligem Hupen herbei. Dünne Rinnsale laufen über seine staubverkrustete Haut. Nach einem knappen Dankeschön geht er mit dem geschulterten Kasten wieder zu den anderen Männern zurück, die den Aushub mit ihren Geräten absuchen.
Es gibt auf dem Gelände weder Baum noch Strauch, in dessen Schatten Jo den Sprudel abstellen kann. Er legt seinen Rucksack und eine Schale mit der bisherigen Ausbeute an Münzen und Metallstücken auf die Kiste und nimmt einen tiefen Schluck aus einer Flasche. Um die piepsenden Kopfhörer der Männer um ihn herum zu übertönen, brüllt Jo: »Sprudel für alle!«Bisher haben die Männer kaum ein Wort miteinander gewechselt. Bis auf Karl sind alle vom Goldfund am Kockelsberg da. Daneben sind noch fünf weitere Hobbygräber und drei Leute vom Landesmuseum bei der Suche. Letztere haben ebenfalls Suchgeräte dabei. Sie werden am Ende des Tages die größte Ausbeute haben, weil ihnen alle gefundenen Münzen abgegeben werden müssen. Eine Schar von Auserwählen darf hier unentgeltlich den Moselaushub durchwühlen. Was das Museum nach der Auswertung nicht braucht, wird an die Finder zurückgegeben. Da es sich nicht um irgendeinen Abschnitt der Mosel, sondern um die münzreiche Zone nur wenige Meter flußabwärts von der Römerbrücke handelt, hat das Museum diese besonderen Vorkehrungen getroffen. Auch nachts wird das Gelände beaufsichtigt.
»Ich geb’ einen aus!« wiederholt Jo sein Angebot.
Frohnen, der Vorsitzende des Münzvereins, ist der Erste, der den Kopfhörer in den Nacken schiebt und von Jo eine Sprudelflasche in Empfang nimmt. Nach und nach gesellen sich andere dazu. Nach ein paar Minuten stehen bis auf die Museumsleute alle Gräber um den Sprudelkasten. Alle sind schweißnaß und haben dicke Lehmkrusten an Schuhen und Stiefeln. Obwohl schon reichlich Münzen gefunden wurden, kommt keine rechte Stimmung auf.
»Was ist bei Karl los, daß er nicht kommen kann?« fragt einer.
»Der hat es am Herzen seit der Geschichte mit der Poli …« Gerhard Frohnen, der Vorsitzende des Münzvereins, der selbst nicht beim Goldfund dabei war, gibt Antwort und schaut dabei Jo an.
»Bei mir waren sie auch.« Jo schildert die nächtlichen Ereignisse an der Schwesterklinik. Er spürt dabei in den Blicken der umstehenden Männern eine Mischung aus Bewunderung, Neid und Mißtrauen.
»Deshalb bist du so früh am Freitagabend abgehauen. Du hättest uns ruhig sagen können, was du vorhast.« Hanni sieht Jo ernst an.
»Die meisten hier kennen mich seit Jahren … .«
»Komm«, unterbricht ihn Hanni. »Wir wollen jetzt keine Lebensbeichte, sag’ nur, warum du allein hingegangen bist.«
»Das war ja nur eine Vermutung, daß der Rest noch auf der Baustelle liegt. Ich wollte gar nicht allein hin, hab’ aber den Zelig nicht erreichen können.«
»Du wußtest doch, wo wir waren. Das ging am Kockelsberg noch bis in die Nacht«, wirft Hanni ein und hebt seine Baseballkappe an, um Luft an seinen verschwitzten Schädel zu lassen.
»Ich hab’ gehört, daß ihr gefeiert habt. Sollten wir denn alle Mann, dazu noch angesäuselt, mitten in der Nacht in die Baugrube steigen? Das war, genau genommen, nichts anderes als Einbruch«, Jo greift mit der Hand in die Schale und läßt die unkenntlichen Münzen durch die Finger gleiten.
»Ich hätte mitgemacht«, ruft einer.
»Das glaub’ ich dir«, entgegnet Jo. »Und wenn keine Münze da gewesen wäre und man uns erwischt hätte? Dann würdest du mich vielleicht jetzt fragen, warum ich nicht allein gegangen bin.«
»Wir sollten jetzt nicht vergessen, wem der Dank an der Rettung dieses historischen Goldschatzes gilt«, schaltet sich Frohnen wieder ein. »Ich freue mich darüber, daß dies ein Mitglied unseres Münzvereins geleistet hat.«
»Ich wäre auch nicht darauf gekommen, daß in der Schwesterklinik noch ein zerrissener
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