Akte Mosel
Hose gekippt.«
»Wann war das?«
»Ist schon ein paar Monate her. Es ist noch etwas anderes, ich bin vor ein paar Tagen ihm, besser gesagt, seinen krummen Geschäften, zu nahe gekommen.«
»Das verstehe ich nicht ganz.«
»Er will mir wahrscheinlich einen Denkzettel verpassen …«, Doris starrt vor sich hin, »… oder mehr, heute Mittag war es mir nicht mehr egal.« Sie erzählt Walde, was geschehen ist, wobei sie den Überfall im Parkhaus verschweigt.
»Die Polizei willst du rauslassen?« fragt Walde.
Doris nickt.
»Wahrscheinlich denkt Räumer genauso. Nur hat er Leute, die das für ihn regeln.«
»Eben kam schon wieder einer dieser Drohanrufe, ich habe jetzt das Telefon ausgestöpselt. Ich werde morgen etwas mit dem Anwalt unternehmen.«
»Was hast du vor?«
»Ich weiß von Dingen aus Räumers Geschäftsleben und werde ihm über den Anwalt mitteilen, daß er bei der nächsten Aktion gegen mich mit Konsequenzen zu rechnen hat.«
»Und das soll wirken?«
»Ich denke schon, nur weiß ich im Moment nicht, welchen Auftrag er seinen Leuten gegeben hat.«
»Für heute kann ich dir nur anbieten, daß du zu mir kommst. Gegen ein Brecheisen hilft die Türkette nichts.«
»Aber ich kann doch nicht schon wieder …«
»Ich kann auch hierbleiben, aber du weißt ja, daß ich genug Platz habe.«Vor dem Haus ist niemand zu sehen. Die Straße ist leer. Der Volvo ist ein Stück weiter geparkt. Jenseits der Baugrube steht im Eingang des Nachbarhauses eine Gestalt. Walde geht ein paar Schritte vor. Es ist ein kleiner Junge, der sich nach der Klingelleiste reckt und bei Waldes plötzlichem Auftauchen zusammenzuckt.
Walde fragt den Jungen: »Kann ich dir helfen, wo willst du denn klingeln?«
»Na da«, der Kleine zeigt auf die Leiste.
»Da sind aber viele verschiedene, wie heißt du denn?«
Keine Antwort.
»Ist es die unterste?«
Der Junge nickt.
Walde klingelt.
»Jetzt müssen wir aber ganz schnell laufen«, ruft der Junge, seine raschen Schritte hollern laut über die Bretter der Grube. Walde greift Doris’ Hand und zieht sie mit sich: »Beeil dich, wir müssen hier weg.«
Aus der Sprechanlage hinter ihnen tönt eine heisere Stimme mit einem lauten »Hallo?«
Als sie wieder langsamer werden, lacht Doris: »Ihr beide habt doch nicht etwa ..?«
Er hält immer noch ihre Hand. Sie erwidert den Druck, bis sie am Auto ankommen. Walde bedauert, daß er so nah einen Parkplatz gefunden hat.
Am Wagen reicht er ihr die Schlüssel: »Ich habe zu viel Wein getrunken, oder ist dir die Kiste zu groß?«
Doris fährt, damit Walde nach Verfolgern Ausschau halten kann, einmal um den ganzen Alleenbereich. Wenn sie in den Innenspiegel schaut, kommt es ihr vor, als wäre die Heckscheibe zehn Meter weit entfernt. Vor Waldes Haus ist ausreichend Platz, um vorwärts einzuparken. In Waldes Zimmer steht der Kleiderschrank offen, sonst scheint gegenüber dem Morgen nichts verändert zu sein.
»Das Bett ist noch bezogen. Ich war heute nur kurz hier, um mich umzuziehen.« Er hält inne und schaut Doris durchdringend an. Sie überlegt, wenn er jetzt vorschlägt, daß er zur Sicherheit bei ihr im Zimmer übernachtet, wäre sie enttäuscht.
Doris deutet auf die Musikinstrumente: »Du spielst in einer Band?«
»Band ist übertrieben, ich improvisiere mit ein paar Leuten zusammen.«
»Habt ihr auch Auftritte?«
»Wir haben noch nicht einmal einen Namen. Wenn du willst, kann ich dir ein paar Takte von der Aufzeichnung der vorletzten Probe vorspielen.«
Als Doris nickt, legt Walde eine Kassette ein und begleitet die Aufnahme auf dem Kontrabaß. Tief über das Instrument gebeugt, zupft er die Saiten und schüttelt nach wenigen Takten rhythmisch den Kopf.
Doris setzt sich in einen Sessel und lauscht.
Nach wenigen Minuten stellt Walde den Baß an die Wand: »Das hat Uli zuhause noch etwas aufgefrischt.«
»Bis zur Improvisation habe ich es nie gebracht«, sagt Doris. »Beim Zeichnen brauche ich immer ein Motiv, an dem ich mich orientieren kann. Deshalb hab’ ich auch nicht die Aufnahmeprüfung für Grafik geschafft und bin bei der Mode gelandet.«
»Vielleicht hast du Angst loszulassen?«
»Was loslassen?«
»Die Realität, die Ordnung, das Gewohnte.«
»Da muß ich mal drüber nachdenken.« Doris nimmt ein Plektrum von der Lehne.»Komm, wir setzen uns in die Küche«, fordert Walde sie auf. Dort stellt er Käse auf den Tisch. »Kann ich mich darauf verlassen, daß du es für dich behältst, dann erzähle ich dir, was ich
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