Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
darauf geachtet, Beruf und Privatleben zu trennen.
Wenn er noch ganz bei Verstand wäre, hätte er Kate in einem Hotel oder bei Freunden untergebracht. Leider schien sein Verstand seit dem Moment, als Kate in sein Büro gestürmt war, gelitten zu haben. Und nach dem Anruf heute Abend hatte er nur noch daran denken können, wie er sie möglichst rasch in Sicherheit brachte. Da hatte sich ein heftiger Schutzinstinkt geregt, den er nicht kontrollieren konnte, und das missfiel ihm. Ebenso wenig behagte ihm, dass sie all diese unbequemen männlichen Reaktionen in ihm auslöste.
Verärgert über sich selbst stand er schließlich auf, ging im Zimmer herum und löschte überall das Licht. Er hatte wirklich kein Interesse daran, für irgendeine Frau den Helden zu spielen. Außerdem war Kate Chesne nicht die Art Frau, die einen Helden brauchte … oder überhaupt einen Mann.
Nicht dass er unabhängige Frauen nicht gemocht hätte, im Gegenteil. Unabhängige Frauen hatten ihn schon immer angezogen. Und er mochte Kate. Vielleicht sogar zu sehr.
Kate lag zusammengerollt im Bett und lauschte auf Davids unruhiges Rumoren im Wohnraum. Sie hielt sogar den Atem an, als er über den Flur an ihrer Tür vorbeiging. Dann hörte sie von nebenan, wie Kommodenschubladen geöffnet und geschlossen wurden, ebenso Schranktüren. Als sie das Duschwasser laufen hörte, stellte sie sich unwillkürlich vor, wie er unter der Dusche stand.
Es war seltsam, noch nie hatte sie einen Mann so begehrt wie ihn, schon gar nicht Eric. Die Beziehung zu ihm war im Grunde entsetzlich oberflächlich gewesen. Sie konnte kaum noch nachvollziehen, dass sie sich über deren Ende gegrämt hatte. Vermutlich war lediglich ihr Stolz verletzt gewesen.
Doch ausgerechnet der Mann, zu dem sie sich so sehr hingezogen fühlte, hatte es in der Hand, sie beruflich zu ruinieren. Sie musste den Verstand verloren haben. Zumal es im Moment für sie Wichtigeres zu bedenken gab. Es ging buchstäblich um Leben und Tod: Ihre Existenz stand auf dem Spiel, ein Killer war hinter ihr her … und sie fragte sich, ob David Ransom Haare auf der Brust hatte.
Kate rannte endlose Stufen hinab in einen schwarzen Abgrund. Etwas verfolgte sie lautlos und versetzte sie in panischen Schrecken. Wenn sie jetzt schrie, würde niemand sie hören.
Schluchzend wachte Kate auf und starrte irritiert auf eine fremde Zimmerdecke. Irgendwo klingelte ein Telefon, Tageslicht drang durch die Vorhänge, und sie hörte Wellen rauschen.
Hier bin ich in Sicherheit, dachte Kate. Niemand kann mir etwas tun, nicht hier in diesem Haus.
Als jemand anklopfte, setzte sie sich ruckartig auf.
„Kate?” rief David durch die geschlossene Tür.
„Ja?”
„Zieh dich an. Pokie hat eben angerufen. Er möchte, dass wir sofort ins Präsidium kommen.”
Besorgt sprang sie aus dem Bett und öffnete die Tür. „Warum? Was ist los?”
Sein Blick glitt nur flüchtig über ihr Nachthemd. „Sie wissen, wer der Killer ist.”
8. KAPITEL
P okie schob Kate das Album mit Verbrecherfotos hin. Schauen Sie mal, ob Sie jemanden erkennen, Dr. Chesne.”
Kate überflog die Aufnahmen, und ihr Blick heftete sich sofort an ein Gesicht. Der Mann, der mit starren, weit aufgerissenen Augen in die Kamera schaute, sah aus wie eine verlorene Seele. „Das ist er”, sagte sie leise.
„Sind Sie sicher?”
„Ich … ich erinnere mich an diese Augen.” Sie schluckte trocken und wandte sich ab. Die beiden Männer beobachteten sie besorgt. Offenbar befürchteten sie irgendeine hysterische Reaktion. Doch Kate blieb ruhig. Sie fühlte sich eher der Realität entrückt, als wäre sie Zuschauer eines Films.
„Das ist unser Mann”, bestätigte Pokie zufrieden.
Ein Sergeant in Zivil brachte ihr eine Tasse Kaffee. Er schien eine Erkältung zu haben, jedenfalls schniefte er. Als er an seinen Schreibtisch zurückkehrte, sah sie durch die Glastrennwand, dass er ein Nasenspray benutzte.
Sie blickte das Foto noch einmal an. „Wer ist er?”
„Ein Geistesgestörter”, erklärte Pokie. „Sein Name ist Charles Decker. Das Foto wurde vor fünf Jahren aufgenommen, nach seiner Verhaftung.”
„Wie lautete die Anklage?”
„Tätlicher Angriff und Sachbeschädigung. Er trat die Tür einer Arztpraxis ein und versuchte den Doktor vor allen Anwesenden zu erwürgen.”
„Einen Arzt?” David sah Pokie an. „Welchen?”
Pokie lehnte sich zurück, dass der Stuhl quietschte. „Raten Sie.”
„Henry Tanaka.”
„Richtig. Wir hätten eher darauf
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