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Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen

Titel: Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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knappen Monat. Warum interessiert sich ein Anwalt für einen Todesfall, der fünf Jahre zurückliegt?”
    Die Dame sah ihn wieder über den Rand der Brille hinweg an und meinte trocken: „Das ist die Kardinalfrage.”
    Im Flur bröckelte die Farbe von den Wänden, und auf dem fadenscheinigen Läufer hatten zahllose Schritte in der Mitte einen Trampelpfad hinterlassen. Vor dem Büro hing ein Schild:
    Joseph Kahanu, Anwalt bei Gericht.
    Spezialist für Scheidungen, Sorgerechtsangelegenheiten, Testamente, Unfälle, Versicherungen, Alkohol am Steuer und Personenschäden
    „Tolle Adresse”, flüsterte David. „Vermutlich gibt es hier mehr Ratten als Klienten.” Er klopfte an.
    Ein groß gewachsener Hawaiianer im schlecht sitzenden Anzug öffnete die Tür. „Sie sind David Ransom?” fragte er brüsk.
    David nickte. „Und das ist Dr. Chesne.”
    Der Mann sah Kate kurz ins Gesicht, dann trat er beiseite und ließ sie herein. In dem Büro konnte man glatt ersticken. Ein Fächer auf dem Tisch bewegte sich quietschend vor und zurück und verwirbelte nur die heiße Luft. Ein halb offenes, vor Schmutz starrendes Fenster ging auf eine schmale Gasse hinaus. Kate erkannte mit einem Blick alle Anzeichen einer Kanzlei, die sich kaum über Wasser hielt: eine alte Schreibmaschine, Kartons mit Klientenakten, Möbel aus zweiter Hand. Es gab kaum genügend Platz für den einsamen Schreibtisch. Mr. Kahanu schien es unerträglich heiß zu sein in seinem Jackett, trotzdem hatte er es wohl wegen seiner Besucher in letzter Minute angezogen.
    „Ich habe die Polizei noch nicht benachrichtigt”, begann Mr. Kahanu und setzte sich in einen unzuverlässig aussehenden Drehsessel.
    „Warum nicht?” fragte David.
    „Ich weiß nicht, wie Sie Ihre Kanzlei führen. Aber ich mache es mir zum Grundsatz, meine Klienten nicht zu verpfeifen.”
    „Ihnen ist klar, dass Decker wegen Mordes gesucht wird?”
    „Das ist unmöglich. Es muss ein Irrtum sein.”
    „Hat Decker Ihnen das gesagt?”
    „Ich konnte ihn nicht erreichen.”
    „Dann wird es vielleicht Zeit, dass die Polizei ihn endlich für Sie findet.”
    „Hören Sie”, begann Anwalt Kahanu unwirsch. „Wir wissen beide, dass ich nicht in Ihrer Liga bin. Wie ich höre, führen Sie eine große Kanzlei in der Bishop Street. Vermutlich haben Sie auch ein paar Dutzend mit Computern ausgerüstete Assistenten.” Er deutete mit einer Armbewegung auf den ganzen Raum. „Ich habe nur ein paar Klienten, die meistens vergessen, mich zu bezahlen. Aber es sind meine Klienten, und ich stelle mich nicht gegen sie!”
    „Sie wissen, dass zwei Menschen ermordet wurden.”
    „Es gibt keinen Beweis, dass er es war.”
    „Die Polizei ist anderer Ansicht. Sie sagen, Charles Decker ist ein gefährlicher Mann, ein kranker Mann, der Hilfe braucht.”
    „Eine Gefängniszelle nennt man heutzutage Hilfe?” Aufgebracht zog er ein Taschentuch hervor und wischte sich die Stirn. „Aber vermutlich habe ich jetzt keine Wahl mehr. Irgendwann pocht die Polizei an meine Tür.” Er faltete das Taschentuch und steckte es wieder weg. Dann holte er eine Akte aus der Schublade und legte sie auf den Tisch. „Da ist die Kopie, um die Sie baten. Anscheinend sind Sie nicht der Einzige, der sich dafür interessiert.”
    „Hat noch jemand danach gefragt?” erkundigte sich David versonnen.
    „Nein. Aber in mein Büro wurde eingebrochen.”
    David blickte ihn verblüfft an. „Wann?”
    „Letzte Woche. Sämtliche Akten waren herausgerissen. Gestohlen wurde nichts, dabei hatte ich sogar fünfzig Dollar in der Kasse. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Aber als Sie mir heute Morgen von den fehlenden Berichten erzählten, wurde ich nachdenklich. Vielleicht war jemand hinter dieser Akte her. Aber in der Nacht des Einbruchs hatte ich sie zu Hause.”
    „Ist dies Ihre einzige Kopie?”
    „Nein. Inzwischen habe ich sicherheitshalber noch einige weitere Kopien anfertigen lassen.”
    „Darf ich mal sehen?” fragte Kate, und David reichte ihr den Bericht.
    „Nur zu, du bist der Arzt. Du kannst sicher mehr herauslesen als ich, Kate.”
    Kate öffnete die Akte mit der Aufschrift: Jennifer Brook. Die ersten Seiten zeigten nichts Ungewöhnliches. Eine achtundzwanzigjährige Frau war in der 36. Schwangerschaftswoche mit leichten Wehen in das Mid Pac Hospital eingeliefert worden. Die ersten, von Dr. Tanaka vorgenommenen Untersuchungen deuteten auf eine normale Geburt hin. Trotzdem ging dann im Kreißsaal alles schief. Die Atmung

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