Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
verunsichert in Mary O’Briens silbergraue Augen. Er würde ihr nicht die Wahrheit sagen, aber er schuldete ihr eine Erklärung, und nach ihrem Blick zu urteilen, eine gute.
Er hörte das Knarren von Holz und Leder und sah ungehalten zu Phil Glickman hinüber, der sich in seinem Sessel regelrecht wand. David sandte ihm einen kurzen warnenden Blick zu, er solle sich beruhigen. Phil kannte die Wahrheit und schien damit herausplatzen zu wollen.
„Wie ich schon sagte, Mrs. O’Brien, ich habe einen Interessenkonflikt entdeckt.”
„Was soll das heißen? Arbeiten Sie etwa für das Krankenhaus?”
„Eigentlich nicht … es ist vertraulich. Ich kann nicht darüber reden.” Dann wechselte er geschickt das Thema. „Ihr Einverständnis vorausgesetzt, übergebe ich den Fall an Sullivan und March. Das ist eine ausgezeichnete Kanzlei.”
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Was bedeutet Interessenkonflikt?” Mary O’Brien beugte sich vor und stemmte ihre knochigen Hände auf den Tisch.
„Tut mir Leid, Mrs. O’Brien. Ich kann Ihr Anliegen nicht mehr objektiv vertreten. Ich habe keine andere Wahl, als mich zurückzuziehen.”
Der Abschied, ein kühler geschäftsmäßiger Handschlag, fiel ganz anders aus als das letzte Mal. Dann begleiteten David und Phil Glickman die Klientin hinaus.
„Ich hoffe doch sehr, dass es wegen dieser Sache keine Verzögerungen gibt”, sagte sie.
„Wahrscheinlich nicht. Die grundsätzliche Arbeit ist ja bereits getan.” Stirnrunzelnd bemerkte er den warnenden Gesichtsausdruck seiner Sekretärin.
„Sie glauben immer noch, die werden einen Vergleich anstreben?”
„Es ist unmöglich, etwas Endgültiges zu sagen …” Er brach ab, als seine Sekretärin jetzt fast in Panik zu geraten schien.
„Sie sagten zuvor, dass die einen Vergleich wollen.”
Er hatte es plötzlich eilig, sie loszuwerden, und schob sie fast in den Empfangsraum. „Also, machen Sie sich keine Gedanken, Mrs. O’Brien. Ich kann fast garantieren, dass die andere Seite schon einen Vergleich diskutiert …” Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen.
Vor ihm stand Kate. Langsam wanderte ihr ungläubiger Blick zu Mary O’Brien.
„Oh Himmel!” stöhnte Phil Glickman. Es war eine Szene wie aus einem Film: Die schockierten Parteien starrten einander an.
„Ich kann alles erklären”, versicherte David.
„Das bezweifle ich”, entgegnete Mary O’Brien.
Kate drehte sich wortlos um und eilte aus der Suite. Das Zuschlagen der Tür riss David aus seiner Erstarrung, und er folgte Kate. Bevor er den Flur erreichte, hörte er Mary O’Briens empörte Stimme: „Jetzt weiß ich, was Interessenkonflikt bedeutet!”
Da Kate bereits im Fahrstuhl nach unten fuhr, rannte er durch das Treppenhaus hinab. In der Eingangshalle war von Kate nichts zu sehen. Er lief auf die Straße und entdeckte sie einen Block entfernt, wie sie auf einen Bus zusteuerte. Eilig zwängte er sich durch die Passanten und schaffte es, Kate am Arm festzuhalten, als sie gerade einsteigen wollte.
„Lass mich los!” fuhr sie ihn an.
„Wohin willst du zum Teufel?”
„Oh ja, das hätte ich fast vergessen.” Sie nahm die Autoschlüssel aus der Tasche und stopfte sie ihm in die Hand. „Ich möchte nicht beschuldigt werden, deinen wertvollen BMW gestohlen zu haben!”
Kate sah sich enttäuscht um, als der Bus hinter ihr davonfuhr. Sie entriss David den Arm und stürmte davon. Er folgte ihr.
„Lass mich erklären, Kate.”
„Was hast du deiner Klientin gesagt? Dass mit dem Vergleich alles klargeht, nachdem du die dumme Ärztin dazu gebracht hast, dir aus der Hand zu fressen?” Sie drehte sich ruckartig zu ihm um. „Lernt man im Jurastudium, dass man mit der Gegenseite ins Bett geht, wenn nichts anderes mehr hilft?”
Das war zu viel. David packte sie am Arm und zerrte sie regelrecht in einen nahen Pub.
David schob Kate durch eine lärmende Menge in den hinteren Teil des Lokals an einen kleinen Zweiertisch und drückte sie unsanft auf die Sitzbank nieder.
„Guten Abend”, sagte eine freundliche Stimme.
„Was ist?” fuhr David die erschrockene Kellnerin an, die lediglich ihre Bestellung aufnehmen wollte.
„Haben Sie einen Wunsch?”
„Bringen Sie uns einfach zwei Bier”, entgegnete er unwirsch. „Natürlich.” Nach einem mitleidigen Blick auf Kate zog sie sich zurück.
Eine Minute starrten Kate und David sich unverhohlen feindselig an, dann fragte Kate: „Warum hast du Mrs. O’Brien gesagt, dass eine Vereinbarung in
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