Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
die Äste heftig gegen die Windschutzscheibe schlugen.
Kate drehte sich wieder um, und die Scheinwerfer leuchteten hinter ihnen wie zuvor. „Es ist der Killer!” flüsterte sie, und ihr wurde übel vor Entsetzen, als sie sich klar machte, wie nah er ihr gewesen sein musste.
„Verdammt, ich hätte es wissen müssen! Er hat das Krankenhaus beobachtet. Und dann ist er dir gefolgt.”
David bog noch einmal scharf ab und gab Gas. Häuser und Bäume flogen nur so an den Fenstern vorbei. Kate konnte nicht mehr tun, als sich kräftig festzuhalten. Unvermittelt bog David in eine Einfahrt. Der Sicherheitsgurt schnitt in Kates Oberkörper, als der Wagen plötzlich in einer dunklen Garage zum Stehen kam. David schaltete Motor und Licht aus und zog Kate auf den Sitz herunter. Mit heftig pochendem Herzen beobachteten sie, wie ein Scheinwerferlicht näher kam. David hatte beide Arme um Kate gelegt und schützte sie mit seinem Körper.
Sie hörten das Motorengeräusch sich langsam verstärken und warteten atemlos, bis es wieder verklang. Schließlich richteten sie sich vorsichtig auf und blickten durch das Heckfenster. Die Straße war dunkel, der Wagen war fort.
„Nichts wie weg hier.” David startete den Motor und setzte zurück.
Auf der Rückfahrt blickte Kate sich immer wieder ängstlich um, doch der Wagen tauchte nicht wieder auf. „Wohin fahren wir?”
„Nach Hause können wir nicht. Falls er dir vom Krankenhaus gefolgt ist, kennt er auch meine Adresse. Ich stehe im Telefonbuch. Aber es gibt noch einen Schlupfwinkel. Du wirst nicht allein sein, und es ist sicher dort.” Nach einer Pause fügte er schmunzelnd hinzu: „Aber du darfst den Kaffee nicht trinken.” Auf ihren fragenden Blick hin erklärte er: „Ich bringe dich zu meiner Mutter.”
12. KAPITEL
D ie kleine grauhaarige Frau, die ihnen in einem alten Bademantel und rosa Hausschuhen die Tür öffnete, sah sie an wie eine verblüffte kleine Maus. Dann freute sie sich jedoch über den Besuch und ließ sie beide eintreten. David stellte Kate und Gracie einander vor, dann schloss und verriegelte er die Tür und führte Kate in den Wohnraum. Dort saß seine Mutter mit dem Rücken zur Tür königlich in einem Sessel, den bandagierten Fuß auf ein Sitzkissen gelegt, neben sich ein Brett mit Scrabble.
„Ich glaube es einfach nicht, mein Sohn besucht mich”, sagte sie. „Was ist los? Geht die Welt unter?”
„Schön, dich zu sehen, Mutter”, erwiderte David trocken und holte tief Luft, um sich Mut zu machen. „Wir brauchen deine Hilfe.”
Die grauhaarige Dame drehte sich um, sah ihren Sohn an und dann Kate. Sie bemerkte, dass David schützend einen Arm um Kates Schultern gelegt hatte, und ein Lächeln überzog ihr Gesicht. Mit einem Blick zum Himmel seufzte sie: „Na, dem Himmel sei Dank.”
Als David später mit seiner Mutter bei einer Tasse heißem Kakao in der Küche saß, fühlte er sich wieder wie ein Sechsjähriger.
„Du erzählst mir nie etwas”, beklagte sich Jinx Ransom. „Da gibt es eine Frau in deinem Leben, und du verheimlichst sie mir, als würdest du dich ihrer schämen. Oder schämst du dich nur deiner menschlichen Regungen?”
„Spar dir deine Psychoanalyse, Mutter.”
„Mein Lieber, ich habe dich in Windeln gewickelt, und ich habe deine Wunden versorgt, als du klein warst. Sogar als du dir den Arm gebrochen hast, hast du nicht geweint. Da fehlt dir wohl ein Gen, genau wie deinem Vater. Du kannst nicht weinen. Gefühle hast du schon, du kannst sie nur nicht zeigen. Sogar als Noah starb …”
„Ich will nicht über Noah sprechen.”
„Siehst du? Der Junge ist seit acht Jahren tot. Aber ich muss nur seinen Namen erwähnen, und du verschließt dich wie eine Muschel.”
„Komm zur Sache, Mutter.”
„Die Sache heißt Kate. Du hast ihre Hand gehalten. Habt ihr schon miteinander geschlafen?”
David verschluckte sich an seinem Kakao und bekleckerte Hemd und Tischdecke. „Mutter!”
„Was regst du dich auf? Die Menschen tun das eben, die Natur hat es so gewollt. Nur du hältst dich offenbar für immun gegen alle Gefühle. Aber heute Abend habe ich einen bestimmten Ausdruck in deinen Augen entdeckt.”
David versuchte, mit einem Küchenkrepp sein Hemd zu säubern. „Ich brauche ein neues Hemd für morgen.”
„Zieh eins von deinem Vater an.” Bevor seine Mutter weiterbohren konnte, ertönte lautes Poltern.
„Was macht Gracie denn da oben?”
„Sie sucht ein paar Sachen für Kate heraus.”
David schauderte. Da er
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