Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
eingesperrt. Trotzdem war er nicht sein Leben lang gewalttätig. Und das einzige Mal, als er eine Waffe benutzte, richtete er sie gegen sich selbst. Wenn er jedoch in eine Krise gerät …”
„So wie durch den Tod seiner Verlobten? Die Polizei glaubt, das habe einen Tötungswahn in ihm ausgelöst, dass er jeden umbringen will, der seiner Meinung nach an ihrem Tod schuld ist.”
„Es klingt seltsam, doch der Grund für die meisten Gewalttätigkeiten ist Liebe. Denk nur an die vielen Delikte aus Leidenschaft.”
„Tja, Liebe und Gewalt scheinen zwei Seiten derselben Medaille zu sein.”
„Genau.” Susan gab Kate Jennifer Brooks Akte zurück. „Aber das ist alles nur Spekulation. Ich müsste mit dem Mann sprechen, um ihn einschätzen zu können. Hat die Polizei ihn schon?”
„Ich weiß es nicht. Man sagt mir kaum etwas.”
Susan Santini wurde dann über die Sprechanlage an ihren Termin um drei Uhr erinnert.
Kate blickte auf ihre Uhr. „Tut mir Leid, ich halte dich auf.”
„Du weißt, ich helfe dir gern.” Susan erhob sich, und beide Frauen gingen zur Tür. „Kate, ist dein derzeitiger Aufenthaltsort absolut sicher?”
Kate sah, wie besorgt Susan war. „Ich denke schon.”
Susan meinte zögernd: „Ich möchte dich nicht ängstigen. Aber wenn du Recht hast mit deiner Vermutung über Charles Decker, ist er völlig unberechenbar. Sei bitte sehr, sehr vorsichtig.”
Kate schluckte trocken. „Du hältst ihn für so gefährlich?”
Susan nickte. „Extrem gefährlich.”
11. KAPITEL
K ate nahm vor dem langen Konferenztisch Platz, an dem die Ärzte wie bei einem Inquisitionsgericht saßen. Entgegen seinem Versprechen war Dr. Avery, der Chef der Anästhesie, nicht anwesend. Das einzige freundliche Gesicht im Saal gehörte Guy Santini, der jedoch nur als Zeuge geladen war und so nervös wirkte, wie Kate es war.
Die Ärzte stellten sachlich ihre Fragen, und noch einmal wurde das ganze schreckliche Geschehen aufgerollt. Guy Santini bestätigte einige Fakten und sprach Kate das Vertrauen aus. Zum Schluss gestand man Kate eine letzte Erklärung zu.
Sie sagte ruhig: „Ich weiß, die Geschichte klingt bizarr, und ich kann sie noch nicht beweisen. Aber ich bin sicher, dass ich Ellen O’Brien die bestmögliche medizinische Versorgung gegeben habe, obwohl der Bericht zu beweisen scheint, dass mir ein Fehler unterlaufen ist. Ich glaube nicht, dass ich den Tod der Patientin verschuldet habe …” Da es nichts mehr zu sagen gab, raunte sie nur ein leises „Danke” und verließ den Raum.
Nach zehn Minuten hatten die Ärzte ihr Urteil gesprochen, und sie wurde zurückgerufen. Als sie Platz nahm, entdeckte sie besorgt zwei neue Gesichter am Konferenztisch. Ein zufrieden wirkender George Bettencourt und der Anwalt des Krankenhauses hatten sich hinzugesellt.
Dr. Newhouse, der Komiteevorsitzende, verkündete das Urteil.
„Wir sind uns bewusst, dass Ihr Bericht nicht in Einklang steht mit der medizinischen Akte. Wir müssen uns aber nach dieser Akte richten, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass Ihre Behandlung der Patientin nachlässig war.” Bei diesen Worten zuckte Kate zusammen. Dr. Newhouse nahm seufzend seine Brille ab. Diese müde Geste zeigte, welche Last er trug. „Sie sind erst knapp ein Jahr bei uns, Dr. Chesne. Und ein solches Missgeschick in so kurzer Zeit beunruhigt uns sehr. Nach allem, was wir gehört haben, müssen wir diesen Fall an den Disziplinarausschuss weiterleiten. Dort wird entschieden werden, wie Ihre zukünftige Position am Mid Pac Hospital aussehen wird.”
Mit einem Seitenblick auf George Bettencourt fügte er hinzu: „Bis dahin haben wir keine Einwände gegen Ihre Suspendierung.”
Alles vorbei! dachte Kate. Wie dumm von mir, etwas anderes zu erwarten.
Man billigte ihr ein letztes Wort zu, doch ihre Stimme versagte. Während die Ärzte langsam hinausgingen, blieb sie starr sitzen. „Tut mir Leid, Kate”, sagte Guy Santini leise und verweilte einen Moment neben ihrem Stuhl, bevor auch er ging.
Kate wurde zweimal angesprochen, bevor sie aufmerkte und George Bettencourt und den Anwalt des Krankenhauses vor sich sah.
„Ich denke, es ist Zeit, über einen Vergleich zu sprechen, Dr. Chesne”, schlug der Anwalt vor.
„Aber wieso denn? Ist das nicht ein bisschen früh?”
„Ein Reporter war in meinem Büro. Die O’Briens haben ihre Geschichte an die Presse weitergegeben. In der Zeitung sind Sie bereits verurteilt. Wir müssen das Krankenhaus aus den Schlagzeilen
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