Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
„Lieber Himmel, ich habe es in seinen Augen gelesen, aber ich war zu sehr in Panik, um es zu erkennen! Er hatte Angst, schreckliche Angst. Er muss etwas Furchtbares gewusst haben. Deshalb musste er sterben, genau wie die anderen …”
„Soll das heißen, er war ein Opfer? Warum hat er dich dann bedroht? Warum hat er im Cottage angerufen?”
„Vielleicht war es keine Drohung. Ja, vielleicht war es eine Warnung vor jemandem.”
„Und die Beweise?”
„Welche Beweise? Ein paar Fingerabdrücke und seine Behandlung in der Psychiatrie? Vielleicht war eigentlich er der Zeuge in Anns Apartment. Vier Menschen sind tot, David, und alle kannten Jennifer Brook. Wenn ich nur wüsste, warum sie so wichtig war.”
„Kate”, seufzte David. „Der Mann ist tot, der Fall abgeschlossen.”
„Nicht für mich. Vielleicht erfahren wir etwas im Victory Hotel.”
„Lass dies nicht zur Besessenheit werden. Ich kann ja verstehen, dass du deinen Namen reinwaschen willst, aber es lohnt sich vielleicht nicht. Wenn du auf Vergeltung aus bist, die erreichst du nicht, jedenfalls nicht vor Gericht. Solche Chancen einzuschätzen gehört zu meinem Beruf. Ich habe viel Geld damit verdient, Ärzte vor Gericht fertig zu machen. Ich möchte dir eine solche Erfahrung ersparen. Lass dich diskret auf einen außergerichtlichen Vergleich ein, bevor dein Name durch den Dreck gezogen wird.”
„Würdest du einen Vergleich anstreben?”
Nach einer längeren Pause antwortete er: „Ja.”
„Dann sind wir sehr verschieden. Ich kann nicht aufgeben, nicht kampflos.”
„Dann wirst du verlieren.”
„Und Anwälte übernehmen keine aussichtslosen Fälle, was?” „Nicht dieser Anwalt.”
„Seltsam, Ärzte tun das ständig. Mit einem Infarkt oder Krebs lässt sich nicht handeln.”
„Und genau deshalb habe ich so gut verdient”, entgegnete er.
„Durch die Arroganz der Ärzte!” Es war eine bösartige Erwiderung, die er sofort bedauerte. Doch er musste Kate unbedingt davon abhalten, noch mehr in Schwierigkeiten zu geraten.
Trotzdem erschreckten ihn seine brutalen Worte. Sie zeigten wohl, wie hoch die Barrieren zwischen ihnen wirklich waren. Den Rest des Weges fuhren sie schweigend. Zu Hause gingen sie wie zwei Fremde ins Schlafzimmer. Kate holte ihren Koffer hervor, doch David schob ihn in den Schrank zurück. „Warte bis morgen”, sagte er nur, nahm Kate in die Arme, küsste ihre kühlen Lippen und hielt sie warm.
In dieser Nacht schliefen sie wieder miteinander. Doch es war mehr die Befriedigung von Lust und deshalb unbefriedigend. Anschließend lag David wach neben Kate und lauschte auf ihre ruhigen Atemzüge.
Er wollte nicht lieben, das machte ihn zu verletzlich. Seit Noahs Tod hatte er es vermieden, sich auf Gefühle einzulassen, und deshalb teilweise, wie ein Roboter funktioniert. Als Linda ihn seinerzeit verließ, war das nur ein zusätzlicher Schmerz in all den Qualen gewesen, die er ohnehin litt. Er hatte sie einmal geliebt, doch nicht mit dieser bedingungslosen Liebe, die er Noah entgegengebracht hatte. Und er maß Liebe stets daran, wie sehr er durch ihren Verlust litt.
Schließlich stand er auf und ging in das Zimmer seines Sohnes, das er lange nicht betreten hatte. Er blieb hier eine Weile und hielt an Noahs Bett stumme Zwiesprache mit ihm. Nach einiger Zeit kehrte er ins Schlafzimmer zurück, legte sich neben Kate und schlief ein.
David erwachte im Morgengrauen, stand auf, duschte und zog sich an. Danach trank er in der Küche allein eine Tasse Kaffee. Kate würde heute ausziehen, und das war gut so. Ein paar Tage oder Wochen der Trennung, und er konnte wieder klarer denken.
Trotzdem machte er sich Sorgen um sie, da er wusste, dass sie weiter in Charles Deckers Vergangenheit suchen würde.
Außerdem war er nicht aufrichtig zu ihr gewesen. Auch er war überzeugt, dass hinter den Todesfällen mehr steckte als die Raserei eines Verrückten. Vier Menschen hatten ihr Leben lassen müssen, und er wollte nicht, dass Kate das fünfte Opfer wurde. Sie brauchte ihn immer noch. Und sie hatten zwei leidenschaftliche Nächte miteinander verbracht, dafür schuldete er ihr etwas.
David ging ins Schlafzimmer und schüttelte sie sacht.
„Kate?”
Sie öffnete langsam und schläfrig die Augen. Er hätte sie gern geküsst, doch es war besser, es zu lassen. „Möchtest du immer noch ins Victory Hotel?”
Mrs. Tubbs, die Managerin des Victory Hotel, war eine fette Frau mit zwei blassen Augenschlitzen. Trotz der Hitze trug sie
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