Akte X
Telefongespräche führten und Spuren verfolgten. Die meisten von denen haben überhaupt keine Erfahrung mit solchen Fällen, dachte Scully. Für diese Leute ist das ein Jahrhundertereignis. Bis jetzt war sie von der Qualität ihrer Arbeit dennoch beeindruckt.
Besonders der verantwortliche Beamte, Corning, zeichnete sich ihrer Meinung nach durch seine effiziente Arbeitsweise aus. Sie trat an seinen Schreibtisch und wartete, bis er mit seinem Telefongespräch fertig war.
„Was haben Sie bisher?“ fragte sie, kaum daß er den Hörer aufgelegt hatte.
„Wir überprüfen die Mitarbeiter des Bauunternehmens. Achtzehn Arbeiter haben auf beiden Baustellen gearbeitet. Wir sind gerade dabei, ihre Personalien zu überprüfen.“
„Wie steht es mit Tagelöhnern?“
Corning deutete mit dem Daumen über seine Schultern auf einen Mann, der gerade von einem anderen Beamten befragt wurde. „Mr. Iskendarian da drüben sagt, seine Firma würde keine Hilfskräfte anheuern.“
Der Firmenchef horchte auf, als er seinen Namen vernahm. Nervös meldete er sich zu Wort.
„Ich will keinen Ärger mit der Steuerfahndung bekommen.“
Corning ignorierte die Unterbrechung und fuhr mit seinem Bericht fort.
„Aber er sagt auch, daß sein Vorarbeiter möglicherweise den einen oder anderen Tagelöhner beschäftigt haben könnte, ohne daß er davon wußte. Zur Zeit hat er sieben Baustellen und ebensoviele Vorarbeiter.“
Iskendarian trug ein Sportsakko, aber das lockere Arbeitshemd darunter und sein muskulöser Körperbau sprachen eine andere Sprache. Scully war überzeugt, daß dieser Mann genau wußte, was auf seinen Baustellen vor sich ging. Er war keiner von jenen Geschäftsleuten, die sich nie selbst die Finger schmutzig machten.
Scully wandte sich noch einmal an Corning.
„Schicken Sie ein paar Leute hinaus, um das zu überprüfen.“
Corning rief einige der Beamten zu sich und erteilte ihnen Anweisungen, während Scully zu dem Tisch hinüberging, an dem Iskendarian saß.
„Welcher Vorarbeiter ist auf der Baustelle am Midlothian Corporate Park beschäftigt?“
„Der Job ist beendet“, entgegnete Iskendarian barsch.
„Dann finden Sie heraus, wo der Vorarbeiter heute ist“, forderte Scully.
Mit funkelnden Augen drehte sich Iskendarian zu dem Polizisten um, der ihn befragt hatte.
„Kann ich telefonieren?“ fragte er.
In dem düsteren Fotolabor hielt Mulder eine Fotografie in der einen und einen Farblaserausdruck, der das Gesicht eines alten Mannes zeigte, in der anderen Hand. Der Fototechniker war bei der Überarbeitung des Bildes erfolgreich gewesen - nun war es weitaus besser zu erkennen. Für den Ausdruck in den Augen des alten Mannes fiel Mulder nur ein passendes Adjektiv ein: tot.
„Ja, danke“, sagte Mulder zu seinem Gesprächspartner am Telefon, allerdings nur aus Höflichkeit, denn die Neuigkeiten, die er erhalten hatte, waren nicht gerade erfreulich.
„Der Mann ist nicht in den Akten der nationalen Verbrecherkartei zu finden“, berichtete er dem Fototechniker.
Der Techniker nickte, und Mulder starrte düster auf den Monitor. So blieb er einige Minuten lang ohne jede Regung sitzen, bis der junge Mann allmählich unruhig wurde. Mulder hatte keinen guten Ruf unter den FBI-Mitarbeitern, doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte ihn der Techniker als erstaunlich normal empfunden. Endlich zeigte Mulder auf einen Punkt am Bildschirm.
„Dieser Schatten da. Was ist das?“ Der junge Mann sah sich das Bild genauer an, denn er hatte den Schatten zuvor noch nicht einmal bemerkt. Dann blickte er Mulder an und schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung, was das sein könnte.
„Können Sie das umdrehen, so daß er unten steht? Etwa so?“ Mulder deutete mit den Händen an, daß er das Bild um neunzig Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht haben wollte. Nach einigen Tastenbetätigungen hatte der Techniker seine Bitte erfüllt, und Mulder starrte die Stelle noch forschender an. Länger als eine Minute saß er schweigend da, bis er schließlich mit dem Finger auf den Bildschirm deutete.
„Ist das ein Schatten?“ fragte er ausdruckslos.
Der Techniker runzelte die Stirn. Er wußte es nicht, aber er würde es herausfinden. Mit seinem Stift umrundete er den Bildausschnitt. Dann brachte er eine Farbpalette auf den Bildschirm und klickte die Stelle an, auf die Mulder gezeigt hatte.
Schließlich gab er ein Kommando ein, mit dem die Farbintensität verdoppelt werden konnte. Sofort wurde das Bild deutlicher, und das, was er
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