Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Akte X

Titel: Akte X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unruhe
Vom Netzwerk:
Kidnapper.“
    Mulder hielt sich noch immer in dem Fotolabor auf. Auf dem Monitor hinter ihm war in verfeinerter Auflösung eine Abbildung des Schattens zu sehen, der ihm aufgefallen war. Die gedehnte Silhouette schien Mary Lefantes gehetzt blickendes Gesicht zu umschlingen.
    „Ja?“ Scully spitzte die Ohren.
    Mulder zögerte. Er wußte, daß er nicht viel zu bieten hatte.
    „Es geht um seine Beine. Sie sind ungewöhnlich lang, unproportional lang. Und ... also, ich denke, er ist entweder sehr groß, oder er möchte gern groß sein.“
    Während Mulder sprach und Scully konzentriert seinen Worten lauschte, erlaubte sie sich keinen Augenblick, auch nur mit der Wimper zu zucken.
    Vor ihr auf dem Boden zeichnete sich Schnauz'
    langer Schatten ab. Die Beine sahen ungeheuer lang aus, wie die eines Flamingos. Sie blickte zu dem Mann auf, der geduldig darauf wartete, daß sie ihr Gespräch beendete.

    Zum ersten Mal bemerkte Scully, daß Schnauz einen nervösen Tick hatte. Eines seiner Augen zuckte ständig hin und her.
    „Scully?“ hörte sie Mulders besorgte Stimme in der Hörmuschel. „Sind Sie noch da?“ Scully klappte das Handy zu. Ohne Luft zu holen, starrte sie Schnauz für einen Moment an.
    „Unruhe“, flüsterte sie.
    Eine Sekunde lang veränderte sich sein Gesichtsausdruck überhaupt nicht. Dann blinzelte er mehrfach, und Scully sah, wie sich der Schock ganz langsam in seine Züge schlich.
    In diesem Augenblick wußte sie, daß er der Mörder war. Rasch riß sie ihre Waffe aus dem Holster.
    „Bleiben Sie dort stehen!“ befahl sie.
    Doch Schnauz blieb nicht stehen. Er rannte zu der Tür hinaus, durch die er hereingekommen war.
    Mit jeder Bewegung legte er eine erstaunliche Distanz zurück: Nach nur zwei Schritten hatte er die ihnen zugewandte Seite der Galerie des Ostflügels erreicht. Die andere Seite lag etwa zweieinhalb Meter von ihm entfernt. An keiner der Gangseiten befand sich ein Geländer, und zwischen ihnen tat sich ein gut sechs Meter tiefer Abgrund auf, aber Schnauz zögerte keinen Augenblick. Nur Zentimeter vom Rand entfernt, rammte er eine Stelze auf den Boden und überwand die Entfernung wie ein Stabhochspringer.

    „Stehenbleiben oder ich schieße!“ schrie Scully.
    Auf der anderen Seite des Abgrunds prallte Schnauz hart auf die Knie und wurde von seinem eigenen Schwung vorwärts auf den Bauch geschleudert. In diesem Augenblick hatte ihn Scully sauber im Visier, doch sie ließ die Waffe sinken. Sie konnte den Abzug nicht betätigen ...
    nicht, um einem unbewaffheten Mann in den Rücken zu schießen. Schnauz stolperte über den Bauschutt, und schon bald hatte er sich hinter einer Mauer vor Scullys Waffe in Sicherheit gebracht.
    Scully betrachtete den Abgrund, den er überwunden hatte, doch sie wagte nicht, es ihm gleichzutun.
    Statt dessen wählte sie den langen Weg über den Gang.
    Als Scully durch den Flur auf den Raum zuspurtete, in dem sich Schnauz befand, hatte er bereits seine Stelzen abgelegt. „Keine Bewegung!“ schrie sie, doch trotz seiner blutigen Knie ignorierte er ihre Aufforderung auch dieses Mal.
    Er wirbelte um die eigene Achse und rannte eine Treppe hinunter, noch ehe Scully zum Schuß kam.
    Im Erdgeschoß mußte er jedoch das Foyer durchqueren, um das Haus verlassen zu können, und Scully hatte von der Brüstung im Obergeschoß einen guten Blick auf diese freie Fläche.
    Zum dritten Mal bekam sie freie Schußbahn.
    Ihre Gedanken wanderten zu der vermißten Frau.
    Wenn sie noch am Leben war, dann - das wußte Scully - war dies ihre einzige und vermutlich letzte Chance, sie zu retten. Und wenn sie dafür auf den fliehenden Kidnapper schießen mußte -
    dann würde sie es tun. Sie betätigte den Abzug.
    Direkt über Schnauz' Kopf riß die heranpeitschende Kugel einige Splitter aus einem Sperrholzbrett heraus.
    Das war die letzte Warnung, dachte Scully. Die nächste Kugel würde ihn niederstrecken.
    Doch in diesem Augenblick blieb Schnauz stehen. Er hatte einen weiten Weg ohne Deckung vor sich, und er wußte, daß er keine Chance hatte. Schnauz zweifelte nicht daran, daß die Frau auf ihn schießen würde, also drehte er sich langsam um und sah sie an. Währenddessen tastete sich Scully Schritt für Schritt die Treppe hinunter. Dabei mußte sie Schnauz für einen winzigen Moment aus den Augen lassen, und sie war erleichtert, daß er diesen Augenblick nicht zu einem weiteren Fluchtversuch nutzte. Ohne daß sie ihn dazu angewiesen hätte, hielt er die Hände über dem Kopf

Weitere Kostenlose Bücher