Akte X
Sie zu töten. Es tut mir leid.«
Cassandra stoppte mitten im Schritt und schwankte, lehnte sich gegen die rauhen Steine, wo Metallplatten sich gelöst hatten und zu Boden gefallen waren. Ein Stöhnen entrang sich ihr, als hätte ihr Mulder mit der Faust in den Magen geschlagen.
Dann kam kein weiterer Laut mehr über ihre Lippen – hilflos glitt sie an der Wand hinab, wo sie sich wie ein kleines Kind zusammenkauerte. Sie zog die Knie an die Brust und starrte auf ihre schmutzigen Hände.
Verständnisvoll blickte Mulder auf sie herab. Er fuhr sich rasch mit der Hand durch die Haare und berührte sie leicht an der Schulter. Sie brauchte ein wenig Zeit für sich allein.
»Ich gehe voraus und suche den Weg nach draußen«, sagte er leise. »Nehmen Sie sich soviel Zeit, wie Sie brauchen.«
Cassandra nickte, unendlich müde. Mit einem letzten Blick machte sich Mulder auf den Weg und lief die spiralförmige Rampe hinauf. Sein Herz pochte, schwer vor Mitgefühl, voll von freudigem Erstaunen über die Dinge, die er gesehen hatte... aber auch erfüllt von Sorge, was er oben vorfinden würde – das Schlachtfeld, die Heckenschützen, die Granaten. Er hoffte, Scully hatte es geschafft. Sie mußte einfach am Leben und in Sicherheit sein.
Im Gang wurde es dunkler, und die Wände schienen jetzt aus verglastem Gestein zu bestehen. Die Bodenplatten wurden spärlicher, und Mulder hatte wieder vorwiegend Kalkstein unter den Füßen... offenbar hatte er die Ebene der Pyramide erreicht. Vor sich erkannte er denselben Hohlraum, den er auf der Suche nach Vladimir Rubicon gesehen hatte, nur daß er jetzt auf der anderen Seite der eingestürzten Barriere stand. Ein Hochgefühl durchfuhr ihn – ab nach Hause!
In Erwartung der massiven Schuttmauer bog er um die Ecke und – stand Carlos Barreio gegenüber. Die Taschenlampe des Polizeichefs durchdrang die Dunkelheit und nagelte Mulder fest wie einen Schmetterling in einem Schaukasten. Barreio hielt einen Revolver auf Mulders Brust gerichtet.
»Agent Mulder«, sagte er gedehnt. Seine Lippen formten ein humorloses Lächeln. »Ich dachte mir, daß ich Sie in der Pyramide finden würde. Leider kann ich Ihnen nicht erlauben, sie lebend zu verlassen.«
31
Ruinen von Xitaclan, Pyramide des Kukulkan Mittwoch, 3.27 Uhr
Instinktiv trat Mulder einen Schritt zurück, doch es gab kein Entrinnen.
Barreios Polizeirevolver war direkt auf ihn gerichtet. Den Finger am Abzug konnte Mulder nicht sehen... er würde es also zu spät merken, wenn Barreio abdrückte – keine Chance, sich wegzuducken und abzurollen. Zum wiederholten Male wünschte sich Mulder, Major Jakes hätte ihm seine Waffe gelassen.
»Dann werde ich auch mal logisch denken«, sagte Mulder und ging noch einen kleinen Schritt zurück, »und raten, daß Sie für die Ermordung der Mitglieder des Archäologenteams verantwortlich sind.« Vorsichtig begann er durch den Hohlraum zurückzuweichen.
Barreio, in dessen überschatteten Augen das Jagdfieber glomm, folgte ihm, den Revolver im Anschlag. Er antwortete mit einem rätselhaften Lächeln, bei dem sich sein üppiger Schnurrbart scheinbar freundlich sträubte.
»Sie haben also die Archäologen neue Schätze für Sie finden lassen«, hakte Mulder nach, »kostbare präkolumbische Artefakte, die vorzügliche Preise auf dem Schwarzmarkt bringen.«
Barreio hob seine breiten Schultern. »Die Liberacion Quintana Roo braucht das Geld.«
Schnell trat Mulder einen weiteren Schritt zurück und blinzelte am unruhig flackernden Strahl der Taschenlampe vorbei. Barreio schien seinen Rettungsversuch amüsant zu finden.
»Und ich vermute, Fernando Victorio Aguilar hat die Kunden für Sie gefunden? Er steckt doch auch in der Sache, oder?«
»Er ist nur hinter dem Geld her«, knurrte Barreio. »Es ist erschütternd, einen Mann zu sehen, der keinen Antrieb hat außer seiner Habgier.«
»Ja, mir ist klar, daß Sie ein viel wertvollerer Mensch sind«, stichelte Mulder.
Das Gefälle war steil. Unaufhörlich redend wich Mulder weiter zurück, während Barreio zuversichtlich Meter für Meter nachzog und sein Opfer immer tiefer in die Falle hineinlaufen sah. »Aber warum haben Sie die Archäologen getötet?« fuhr Mulder fort. »Damit haben Sie nur die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie waren Amerikaner, die mit der Genehmigung der mexikanischen Zentralregierung hier waren.«
Barreio zuckte wieder die Achseln. »Die Regierung weiß nichts von den Problemen von Quintana Roo. Wir haben unser eigenes Land, unsere eigene
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