Akte X
war, trat er zurück. Er holte einige Male tief Atem, zwang sich zur Ruhe und konzentrierte sich bewußt darauf, alle Einzelheiten zu studieren, alle Informationen zu sammeln, bevor er etwas Übereiltes tat. Die Situation analysieren...
Er beugte sich so nah wie möglich an die schwebende Gestalt heran, ohne mit der seltsamen, gelartigen Barriere in Berührung zu kommen; dann verharrte er und überlegte erneut, was er tun sollte. Eine Beschädigung der Kommandobrücke wollte er nicht riskieren... und er hatte nicht die Absicht, in dieselbe Falle zu geraten wie die junge Frau.
Es war einfach unglaublich... doch so kam er nicht weiter.
Er drehte sich um und ließ seinen Blick durch den bizarren Raum wandern, um weitere Hinweise zu finden. Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erkenntnis, daß weitere kleine Kabinen... ähnlich wie die, in der Cassandra gefangen war, ringsum an den Wänden verteilt waren – dunkle Alkoven, leere Särge in einem Mausoleum... leer bis auf eine, in der sich noch jemand – oder etwas – befand.
Widerstrebend trennte er sich von der Tochter des Archäologen und ging zu der einzigen anderen besetzten Kammer in der Wand des Kontrollraums, mit weichen Knien und einem flauen Gefühl im Magen. Was würde er dort finden?
Die Gestalt lag zusammengesackt da, ein Haufen bauschiger Lumpen und ausgedörrten Fleisches. Die mumifizierten, verhärteten Überreste waren verzerrt wie ein Stück Mahagonitreibholz, aller Feuchtigkeit entleert, kaum mehr als Fetzen eisenharten Gewebes, das die morschen Knochen zusammenhielt.
Auf den ersten Blick konnte Mulder nicht sehen, ob die Mumie überhaupt menschlich war. Er erinnerte sich an ähnlich ausgetrocknete Leichen, die er bei Untersuchungen von anderen Fällen gesehen hatte – im Sarg eines High-School-Schülers in Oregon, in einem vergrabenen Güterwaggon in New Mexico –, ausgedörrte Überreste, möglicherweise außerirdischen Ursprungs, möglicherweise aber auch nicht.
Unwillkürlich fragte er sich, ob diese trostlose Gestalt einer der ursprünglichen Insassen des verlassenen Schiffs sein konnte... Vielleicht sogar Kukulkan selbst?
Ein Lächeln huschte über Mulders Gesicht. Scully würde diese Schlußfolgerung niemals akzeptieren, solange sie nicht eine Autopsie durchgeführt hatte. Doch zusammen mit den anderen Beweisen – dem versunkenen Schiff und seiner verbliebenen Einrichtung, den Maya-Schnitzereien von Raumfahrern und gefiederten Schlangen – würde dieser seit langem tote Bewohner selbst den hartgesottensten Skeptiker in die Knie zwingen. Selbst Scully.
Er wandte sich wieder der Kammer zu, die Cassandra Rubicon enthielt, und die Unterschiede zwischen den beiden... Exemplaren fielen ihm noch mehr ins Auge. Während Cassandra perfekt erhalten in ihrem Sarg aus versteinertem Licht hing, als wäre die Zeit für sie zum Stillstand gekommen, sah der andere aus, als hätten ihn die Jahre wie eine Dampfwalze überrollt und wie eine überfahrene Katze im Staub der Straße liegenlassen. Mit dieser vertrockneten Leiche war etwas geschehen, und Mulder fragte sich, was schiefgegangen war.
Er widerstand der Versuchung, den Alkoven der Mumie zu betreten. Noch nicht. An den Wänden der Hauptkammer glitzerte das pulsierende Licht, das seinen Kopf mit einem vibrierenden Prickeln erfüllte. Eine Botschaft, die einem fernen Volk galt, einem Volk, das schon vor tausend Jahren aufgehört haben mußte zu lauschen.
Mulder riß sich von der mumifizierten Leiche und der eingeschlossenen Gestalt Cassandras los und musterte die Kalksteinwände, die die herabgefallenen Metallplatten in der Hauptkammer ersetzten. Er sah eingemeißelte Bilder, die denen des Tempels auf der Pyramidenspitze ähnelten. Nur waren diese Bilder weniger stilisiert und weitaus realistischer.
Soweit er sehen konnte, stellten die Szenen eine hochgewachsene Gestalt dar, eine gottähnliche Figur, einen Außerirdischen, umgeben von Indios, die ihn anzubeten schienen... oder um Gnade flehten. Der Gott – Kukulkan? – stand aufrecht und abweisend da, umringt von mehreren monströsen gefiederten Schlangen.
Mulder schauderte. Dies waren sehr gute Darstellungen des Geschöpfs, das er zwei Nächte zuvor im Schatten des Mondlichts gesehen hatte. Schlängelnd, glänzend... fremdartig.
Langsam folgte er der Reihe der Schnitzereien, die sich an den Wänden entlangzogen: Szenen des Maya-Volks, wie es Tempel erbaute, Städte im Dschungel errichtete, dem antiken Astronauten mit großer Ehrfurcht gegenübertrat. In
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