Akte X
stehenden Maya-Skulpturen, einige Stücke präkolumbischer Kunst in Glasvitrinen, andere auf den Fensterbänken. Salida stellte diejenigen zur Schau, die ihm am besten gefielen, denn er hatte keinerlei Ahnung, welche Objekte wirklich wertvoll und welche lediglich hübsche Kinkerlitzchen waren. Ein Weinregal, angefüllt mit den kostbarsten Tropfen, stand in einer Ecke des Raumes.
Aguilar wußte, daß Xavier Salida Analphabet gewesen war, bevor er reich und mächtig wurde. Ein Gerücht besagte, er habe einen Lehrer angestellt, der ihm das Lesen beibringen sollte. Der Mann hatte seine Sache gut gemacht, doch dann hatte sich der Unglückliche in einer Dorfkneipe nach ein paar Tequilas zu Witzen über die mangelnde Bildung seines Schülers hinreißen lassen... und Salida hatte sich seiner entledigt.
Es folgten weitere Lehrer, die Salida in Kunst und Musik unterrichteten und ihn in einen guten, aufrechten Bürger verwandelten. Fortan bevorzugte Salida teuren Sewmga-Kaviar und edle Weine und lauschte zu alter Musik auf den modernsten Stereoanlagen. Und er sammelte teure Kunstobjekte – ohne so recht zu wissen, was er da eigentlich tat.
Aguilar hatte diese Situation genutzt, indem er Salida schmeichelte und die mangelnde Sachkenntnis des Drogenbosses von vornherein in ihre Geschäfte einkalkulierte. Anstatt sein Unwissen zuzugeben, zog es Xavier Salida in der Regel vor, die Objekte einfach zu kaufen, die Aguilar ihm anbot... unzählige Originale und Fälschungen hatten auf diese Weise schon für viel Geld den Besitzer gewechselt.
Doch diesmal handelte es sich wirklich um ein besonderes Stück. Daran gab es keinen Zweifel.
Pepe trat schwitzend, schluckend, schlurfend von dem Glastisch zurück. Er wischte sich die Handflächen an der Hose ab und wartete auf weitere Anweisungen.
Der Drogenboß deutete auf die Kiste. »Nun, dann los, Fernando – machen Sie sie auf. Lassen Sie mich sehen, was Sie diesmal auf getrieben haben.«
Aguilar wandte sich an Pepe und wedelte ungeduldig mit der rechten Hand. Schnell ging der junge Helfer zu der Kiste, bohrte seine Fingerspitzen in einen Spalt und riß die Tackernägel los. Der Deckel löste sich splitternd. Pepe entfernte das Packmaterial und hob den magischen Schatz vorsichtig heraus. Aguilar lächelte selbstzufrieden.
Der Drogenboß hielt den Atem an und trat fasziniert vor. Aguilars Herz klopfte schneller – dies war genau die Reaktion, auf die er gehofft hatte.
Pepe setzte das Objekt auf dem Tisch ab und zog sich zurück, wobei er seine schwitzenden Hände erneut an der Hose trocknete. Das Artefakt war ein vollkommen durchsichtiger, rechteckiger Kasten mit einer Seitenlänge von etwas mehr als dreißig Zentimetern. Im Licht schimmerte es in allen Prismenfarben, als bestünden die Vorrichtungen in seinem Inneren aus hauchdünnen Diamantplatten. Diese inneren Teile muteten merkwürdig und exotisch an: ineinander verzahnte Komponenten, Verbindungen aus Glasfasern, glitzernde Kristalle. Aguilar fand, daß es wie das komplizierteste Uhrwerk der Welt aussah... mit Rädchen und Federn aus reinstem Bergkristall. In die Seite des durchsichtigen Gehäuses waren winzige Löcher gebohrt, weitere bewegliche Vierecke markierten die Ecken und einen Teil der Oberseite. Eingravierte Symbole, die eine gewisse Ähnlichkeit mit manchen der unverständlichen MayaGlyphen hatten, bedeckten Teile der klaren Glasseiten. Und nichts von alledem ergab irgendeinen Sinn.
»Was ist das?« fragte Salida gebannt, berührte das Gehäuse und zog rasch die Finger zurück. »Es ist kalt! Selbst bei dieser Hitze ist es eiskalt.«
»Dieses Objekt ist ein großes Rätsel, Exzellenz«, entgegnete Aguilar. »Ich habe noch nie zuvor ein solches antikes Kunstwerk gesehen, trotz all meiner archäologischen Erfahrung.« In Wirklichkeit hielt sich Aguilars archäologische Erfahrung in Grenzen... wenn es auch durchaus zutraf, daß er noch niemals auf ein solches Stück gestoßen war. Xitaclan war die Heimat vieler ungewöhnlicher Dinge.
Der Drogenboß beugte sich mit halb geöffnetem Mund näher an das seltsame Objekt heran. »Woher stammt es?« Er wirkte wie verzaubert – und Aguilar wußte, daß ihm dieses Geschäft sicher war. Ein äußerst gewinnbringendes Geschäft.
»Dieses Wunderwerk stammt aus einer geheimen neuen Ausgrabungsstätte namens Xitaclan, einem bisher völlig unberührten Fundort. Wir sind im Augenblick dabei, viele der wertvollsten Stücke abzutransportieren. Ich bin jedoch sicher, daß es nicht lange dauern
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