Akte X
frischen, dicken Tortillas und die Hühnerbrühe geschmeckt hatten.
»Wie weit ist es noch?« fragte Scully Aguilar gegen Mitte des Nachmittags. Draußen zogen sich tiefgraue Wolken zusammen.
Er starrte durch die Windschutzscheibe und schaltete die Scheibenwischer an, um sein Gesichtsfeld noch mehr mit toten Insekten zu verschmieren. Aufmerksam spähte er die Straße entlang, doch es dauerte etliche Minuten, bis er antwortete. »Da sind wir«, sagte er schließlich und trat auf die Bremse.
Aguilar fuhr von der Straße herunter auf die staubige Böschung, wo ein schmaler Feldweg aus dem dichten Dschungel auftauchte. Der Jeep schleuderte mit hin und her schwingendem Heck durch den Verkehr. Hinter ihnen ließ ein Bus seine Hupe ertönen und überholte sie röhrend auf der Gegenfahrbahn, ohne auf entgegenkommende Fahrzeuge zu achten.
Flugs kletterte Aguilar hinaus und stellte sich grinsend neben das ächzende Vehikel, während Mulder die hintere Tür aufstieß und seine tauben Beine ausstreckte. Scully sog die feuchte Luft ein, die von den schweren Düften des Regenwalds erfüllt war. Über ihnen waren die morgendlichen Schäfchenwolken in dickere Kumuluswolken übergegangen, die den Eindruck erweckten, daß sie sich innerhalb kürzester Zeit in Gewitterwolken verwandeln könnten. Als Scully jedoch den Dschungel betrachtete, war sie nicht sicher, ob der Regen das massive Blattwerk, die Sträucher und das Unterholz überhaupt durchdringen würde. Mittlerweile waren die anderen beiden Passagiere auf dem Rücksitz aus dem Jeep gestiegen, öffneten die Heckklappe und hievten Mulders und Scullys Gepäck heraus. Den Rucksack reichten sie Vladimir Rubicon, der sich vorbeugte und seine steifen, knochigen Knie massierte.
Mulder betrachtete das hohe Gras, die dichten Ranken, Palmen und Schlingpflanzen, eine undurchdringliche Masse der Vegetation. »Das meinen Sie nicht ernst«, murmelte er.
Fernando Aguilar lachte und schnüffelte dann. Er rieb sich die Wangen, auf denen schon wieder Bartstoppeln sprossen. »Tja, Amigo, wenn die Xitaclan-Ruinen direkt neben einer vierspurigen Straße stünden, dann wären sie bestimmt keine unberührte archäologische Stätte mehr, oder?«
»Da hat er recht«, ächzte Rubicon, der sich seinen Rucksack aufschnallte.
Während Aguilar sprach, tauchte plötzlich wie in einem billigen Film eine Gruppe dunkelhäutiger Männer aus dem Dschungel auf. Scully bemerkte einen deutlichen Unterschied zwischen diesen Leuten und den Mexikanern, die sie in Cancuen gesehen hatte. Sie waren kleiner und nicht so gut ernährt und gekleidet: Nachkommen der alten Maya, die weit entfernt von den Städten lebten, in elenden, auf keiner Karte verzeichneten Dörfern.
»Ah, hier ist der Rest unserer Mannschaft, bereit für die Arbeit«, rief Aguilar. Er winkte den Indios, die Vorräte und das Gepäck zu übernehmen, während Aguilar selbst mehrere Leinwandsäcke aus dem Jeep auslud. »Unsere Zelte«, erklärte er.
Mulder stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, musterte den Dschungel und atmete die leicht modrige Luft durch die Nase ein. »Es ist nicht nur ein Job, Scully – es ist ein Abenteuer.« Moskitos schwirrten ihm ums Gesicht.
Als der Jeep vollständig entladen war, klopfte Aguilar auf die Motorhaube, um dem Ersatzfahrer zu signalisieren, daß er sich auf den Weg machen konnte. Einer der jungen Männer kletterte ohne ein Wort auf den Fahrersitz, griff einfach nach dem Schalthebel und fuhr los, indem er den Jeep ohne Rücksicht auf andere Autos auf der Straße wendete. Der Wagen stieß eine Wolke stinkender Abgase aus und donnerte davon.
»Brechen wir auf, Amigos«, deklamierte Aguilar. »Vorwärts, ins Abenteuer!«
Scully holte tief Luft und zog die Schnürsenkel ihrer Stiefel fester. Gemeinsam tauchte die Gruppe in das ewige Grün des Dschungels ein.
Als sie sich durch das Unterholz schleppte und mit beiden Händen gegen Äste und Sträucher und Schlingpflanzen und Ranken ankämpfte, sehnte sich Scully bald nach dem Jeep zurück, auch wenn Fernando Aguilar ein noch so schlechter Fahrer war. Vor ihnen waren die Indios unentwegt damit beschäftigt, die gröbsten Hindernisse mit ihren fleckigen Macheten zu beseitigen, keuchend vor Anstrengung, doch ohne ein Wort der Klage. Herrliche Hibiskusblüten und andere tropische Pflanzen schmückten beide Seiten des Pfads in allen Regenbogenfarben. Wasser stand in Pfützen auf dem Boden, wo er eher steinig als morastig war. Dünne Mahagonibäume mit verdrehten Stämmen und
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