Akte X
Atombombe? Ist das nicht ein bißchen übertrieben?«
Major Jakes umging die Frage. »Wir wissen außerdem, daß die revolutionäre Gruppe Liberacion Quintana Roo – die Herren, die uns heute abend beschossen haben – Waffen für ihren aussichtslosen Kampf gegen die mexikanische Zentralregierung sammeln. Wir sind äußerst besorgt, daß eine oder mehrere dieser vermißten taktischen Nuklearwaffen in ihre Hände gelangt sein könnten. Wir glauben, daß diese Guerillagruppe nur wenig Skrupel haben würde, sie gegen ein dicht besiedeltes Gebiet einzusetzen.«
Als sie die Überlegungen hinter den drastischen Maßnahmen von Jakes’ Spezialeinheit begriffen hatte, runzelte Scully besorgt die Stirn. Sie preßte ihre Lippen zusammen, während sich ihre Gedanken überschlugen und sie sich fragte, ob die Morde an den Archäologen mit den Waffenschiebereien der Drogenbosse in Verbindung stehen könnten. Hatten die Revolutionäre Xitaclan als Geheimbasis benutzt, unbemerkt... bis ein neugieriges Team amerikanischer Wissenschaftler anfing, hier herumzuschnüffeln?
Doch all das konnte Mulder nicht helfen, der vor zwei Stunden in Richtung Pyramide geflohen war. Sie betete erneut, daß er nicht von den Guerillakämpfern gefangengenommen oder gar erschossen worden war.
»Das erklärt mir aber immer noch nicht, warum ausgerechnet Xitaclan«, sagte Scully nachdenklich. »Warum hier? Diese abgelegenen Ruinen sind seit Jahrhunderten unberührt. Es gibt keine Straßen, keine Wasserversorgung, keinen Strom – ganz offensichtlich ist es kein Hochsicherheitsgelände. Es gibt hier gar nichts. Warum sollen Sie den vernichtenden Schlag mitten in der Wildnis führen?«
Jakes griff hinüber zum Armaturenbrett des Geländewagens. Er schaltete den Bildschirmraster ein, der grau und silbrig-blau leuchtete, bevor sich das Bild zu einer topographischen Strichzeichnung der Halbinsel Yucatan verdichtete und dann zu einer Nahaufnahme ihres Standorts heranfuhr. Jakes gab mehrere Befehle ein, und jedesmal zoomte die Karte zu einem kleineren Maßstab. Ein pulsierendes Licht blinkte gleichmäßig auf einer Stelle der Karte wie ein Sonarsignal oder ein leicht wechselnder Herzschlag.
»Diese Sendung wird von hier ausgestrahlt, Agent Scully. Vor dem Schlag gegen Xavier Salidas Festung erschien das Signal zum ersten Mal auf unseren Empfängern. Es scheint verschlüsselt zu sein. Seinen Ursprung oder seinen Zweck können wir nicht ermitteln, aber wir glauben, daß ein Zusammenhang zwischen dem Signal und diesen militärischen Aktivitäten besteht. Deshalb hat meine Truppe den Befehl erhalten, jegliche Verteidigung zu durchdringen und den Sender zu zerstören.«
Fasziniert musterte Scully das pulsierende Signal, den hypnotischen Rhythmus des blinkenden Lichts. »Woher wissen Sie, daß das eine militärische Sendung ist?« fragte sie. »Wenn Sie den Code nicht entschlüsseln können, haben Sie keinen Grund zu der Annahme, daß es eine Bedrohung sein müsse... Das ist doch logisch, oder etwa nicht?«
Mit einem unverwandten Ausdruck in den dunklen Augen starrte Major Jakes auf den Bildschirm. »Unsere Aufklärung hat es als militärische Bedrohung klassifiziert.«
»Welche Aufklärung? Wissen die mehr als das, was Sie mir gerade gesagt haben?«
»Es steht mir nicht zu, sie in Frage zu stellen, Agent Scully. Ich kenne nur das Ziel und den Auftrag. Meine Kommandoeinheit hat die Aufgabe, diese Befehle auszuführen, nicht darüber zu debattieren. Wir wissen aus Erfahrung, daß das für alle Beteiligten das Beste ist.«
Einer der beiden verwundeten Soldaten hastete schwer atmend auf das Geländefahrzeug zu. Scully bemerkte, daß der schmale Striemen an seiner Seite wieder aufgebrochen war und seine Uniform mit frischem Blut tränkte. »Alles vorbereitet, Sir. Ready to rock and roll, sobald Sie den Befehl geben.«
»Sehr gut – der Befehl ist hiermit gegeben.« Jakes richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Er vermied Scullys Blick. »Legen wir diese Pyramide flach.«
Im flackernden Widerschein des Dschungelfeuers blickte Scully zur Silhouette der Zikkurat hinüber und hoffte, daß Mulder Schutz gefunden hatte.
»Laßt sie knallen!« rief eine Stimme.
Und Scully zuckte entsetzt zusammen, als die hochexplosiven Geschosse in die Ruinen schlugen.
30
Verlassenes Raumschiff in Xitaclan
Mittwoch, 2.41 Uhr
Als sich Mulder von dem Schock erholt hatte, einer Cassandra Rubicon gegenüberzustehen, die wie eine Fliege in einem Spinnennetz gefangen
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