Akte X
Mulder.
Er schaute Duane an, der in eine merkwürdige Starre gefallen zu sein schien. Der ehemalige FBI-Agent stand reglos da, das Gesicht ein wenig erhoben. Seine Halssehnen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab. Was auch immer er gerade sah, es befand sich nicht in diesem Raum.
»Da sind Wesen, nicht wahr?« hakte Mulder nach. »Sind sie groß? Oder sind sie klein, kleiner als Menschen? Duane?«
Duane drehte sich ganz langsam herum und starrte ihn an. Mulders Worte hallten in seinen Ohren wider. Groß oder klein, groß oder klein...
Ein gigantisches weißes Feuer begann sich durch sein Gehirn zu fressen. Groß oder klein... Die Zeit löste sich auf, und er war wieder ganz am Anfang, wieder in dem alten Haus, in dem sie zum ersten Mal erschienen waren, um ihn zu holen. Wieder im Bett, flach auf dem Rücken hegend, von einer unsichtbaren Kraft festgenagelt.
Groß oder klein...?
Der Sog des Vakuums riß an der vergilbten Plastikplane und schüttelte sie wie ein Leichentuch. Und das Licht wurde heller und heller, bis die Netzhaut in seinen Augen überlastet war und den Dienst einstellte.
Groß oder klein...?
Und dann sah er sie, die Gestalten, sah die grauenhafte Neugier, die sich in ihrer Körperhaltung ausdrückte, während sie sich ihm näherten und ihn beobachteten.
Eine einzelne mißgestaltete Hand, die sich nach der Plastikplane ausstreckte...
Das brüllende Licht erfaßte ihn, und er stimmte in das Brüllen ein, und der Lärm versengte jede Zelle seines Gehirns...
Sie waren klein. Natürlich. Nicht groß, sondern kleiner als Menschen.
Klein...
4
Irgend etwas war geschehen, wenn Mulder auch nicht genau wußte, was es war. Duane hatte den Kopf in den Nacken geworfen und die Augen geschlossen. Sein Rücken war gekrümmt, als stünde er unter Hochspannung. Mulder konnte sehen, daß er innerlich laut aufschrie.
Da habe ich wohl den richtigen Knopf gedrückt, dachte er.
Plötzlich und ganz übergangslos war der Moment vorbei. Die furchtbare Erinnerung erlosch. Zurück blieb die zusammengesackte, schwitzende, schwer atmende leere Hülle eines Menschen.
»Die nehmen Sie mit, Duane, nicht wahr? Gegen Ihren Willen.«
Duanes totenschädelartiges Gesicht drehte sich zu Mulder um. Seine Augen waren leer.
»Er wird uns töten«, flüsterte Gwen. Sie saß vor der gegenüberliegenden Wand am anderen Endes des Raumes auf dem Boden, die Arme um Kimberly geschlungen. Duane ließ durch nichts erkennen, ob er sie gehört hatte.
»Sie sind hilflos«, bohrte Mulder erbarmungslos weiter. »Manchmal können Sie nicht einmal sprechen. Es läuft immer auf die gleiche Weise ab. Und niemand kann Ihnen helfen.«
Duane schüttelte den Kopf.
»Wo bringen die Sie hin, Duane? Ist da ein Raumschiff? Bringen die Sie in ein Raumschiff?« Wieder schüttelte Duane nur den Kopf.
»Wo ist das Schiff, Duane? Wie kommen Sie dorthin? Erleben Sie den Transport bewußt mit?«
Duane warf langsam und gequält den Kopf hin und her. Die Haut spannte sich so straff über seinen Wangen, daß sie wie eine fleischfarbene dünne Schicht über nackten Knochen aussah. Seine Augen sanken tiefer in die Höhlen und verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
5 irgendwo...
Die Erinnerung flammte in Duane Barrys Kopf mit der gleißenden Helligkeit eines Blitzlichtgewitters auf. Auf irgendeine rätselhafte Art konnte er alles wahrnehmen, was den kalten Metalltisch in dem riesigen Raum umgab, auf dem man ihn festgeschnallt hatte.
Er lag nackt auf dem Rücken, die ausgestreckten Arme auf dem Metalluntergrund von Klammern gehalten. Gestalten bewegten sich um den Tisch herum. Sein Geist kreischte laut auf und flüchtete sich in den Wahnsinn.
Die Gestalten bewegten sich lautlos und voller Konzentration. Voller Interesse. Es war, als wäre alles in dem Raum - die Wesen und ihre Instrumente - nur auf den Mann auf diesem Tisch ausgerichtet.
Duane Barrys Kopf wurde von einem schimmernden Metallgerüst festgehalten. Eine tückisch aussehende Konstruktion aus Bolzen und Metallklammern zog seine Kiefer auseinander, weiter als es normalerweise bei einem Menschen möglich erschien. Seine Zähne glänzten mattweiß im indirekten Licht.
Eine der kleinen Gestalten beugte sich näher zu ihm herab. Duane blickte in riesige schwarze Augen, die vor Interesse und Besorgnis geweitet waren. Aber die Besorgnis galt nicht ihm, sondern dem, was mit ihm geschehen würde.
Kurze abgehackte Laute nackten Entsetzens drangen wie ein
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