Akte X
dachte Mulder. Er schloß die Augen, aber nichts geschah. Als er sie wieder öffnete, bemerkte er verblüfft, wie der Mann verzweifelt versuchte, sich aus X' Griff zu befreien, jedoch vergeblich.
Mit der kalten Präzision einer Maschine riß X den rechten Arm des Mannes hinter dessen Rücken in die Höhe. Ein kurzes, trockenes Knirschen ertönte, als der Knochen brach. Der Mann keuchte und sackte halb bewußtlos in sich zusammen.
X hielt ihn fest, während er Mulder anstarrte. Mulder stand langsam und unsicher auf. Ihm war schwindlig, und sein Körper schmerzte an zahllosen Stellen. Schwankend stand er vor X und dem Fremden. X' Gesicht lag im Schatten, aber das des Mannes, den er umklammert hielt, war bleich und völlig verängstigt.
Als Mulder auf ihn zugehen wollte, zog X den Mann von dem Agenten fort. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, befahl er eindringlich.
Er zerrte den Fremden, dessen Füße mit einem schabenden Geräusch über den Boden schleiften, mit sich. Mulder blieb stehen und beobachtete hilflos das Geschehen, während er versuchte, seine Benommenheit abzuschütteln. Eine furchtbare Ahnung stieg in ihm auf.
X schob seinen Gefangenen hinter eine der Maschinen, und alles, was Mulder von den beiden Männern jetzt noch sehen konnte, waren ihre Schatten.
Das dumpfe dröhnende Bellen der Sig-Sauer hallte von den Wänden wider. Der Einschlag der Kugel schleuderte den Mann mit dem Mantel zu Boden. Er stöhnte und versuchte mühsam, sich wieder aufzurichten.
»Nein...«, krächzte Mulder.
»Sie wollen sehen, was nötig ist, um die Wahrheit zu finden?« fragte X mit bebender Stimme. »Sie möchten die Dinge erfahren, die ich weiß?«
Mulder zuckte zusammen. Der Hohn in X' Stimme traf ihn wie ein Peitschenhieb. Als er auf ihn zuwankte, hob X warnend eine Hand. »Ich erledige das.«
Mulder konnte erkennen, wie sich die Silhouette des Pistolenlaufs hob und auf den Kopf des Fremden richtete. Die Szene erinnerte an eine Exekution. Es war eine Exekution.
»Verschwinden Sie!« zischte X kalt, als sich Mulder langsam bewegte.
Er spürte, wie ihn eine plötzliche Welle von Übelkeit und Schwindelgefühl durchlief. Dann entdeckte er auf dem Boden seine Pistole neben der Ampulle mit Scullys Blut. Die Hand auf die schmerzenden Rippen gepreßt, stolperte er darauf zu, bückte sich und hob beides auf.
Irgend etwas rann feucht und klebrig über seine Finger. Er starrte das Glasröhrchen an und erkannte, daß es zerbrochen war. Und jetzt lief ihm Scullys Blut über die Hände.
Scullys Blut klebte an seinen Fingern.
5 Northeast Georgetown Medical Center Washington D.C. Intensivstation
Hinter Scullys Bett herrschte die verhaltene Betriebsamkeit der Nachtschicht, um sie herum war alles still und ruhig. Alles, was sich bewegte, war der schwarze Gummiballon der Beatmungsanlage, der sich unermüdlich aufblähte und wieder erschlaffte, seufzte und zischte und sie am Leben erhielt. An der Grenze zwischen Leben und Tod.
Schwester Owens stand am Kopfende des Bettes und tupfte Scullys Stirn in unregelmäßigen Abständen mit einem kleinen weißen Tuch ab. Aber etwas hatte sich verändert. Bisher hatte Schwester Owens immer gelächelt, zumindest ein wenig. Jetzt aber war ihr Gesicht ernst und sorgenvoll.
Elftes Kapitel
1 Northeast Georgetown Medical Center Washington D.C. Warteraum der Intensivstation
Schon vier Personen ließen den Raum vor der Intensivstation fast überfüllt erscheinen. Margaret Scully saß auf einem Sofa, Dr. Daly zu ihrer Rechten, Melissa zu ihrer Linken. Mulder stand vor ihnen, die Hände in den Taschen seines grauen Anzugs vergraben. Er wirkte mürrisch.
Daly beugte sich in seinem Sessel vor. Er richtete sich mit seinen Worten in erster Linie an Margaret, als er sagte: »Das Beatmungsgerät abzuschalten, bedeutet nicht unbedingt, den Stecker zu ziehen und ihr Leben zu beenden.«
Mulder schüttelte angewidert den Kopf und wandte sich ab. Er ging ein paar Schritte auf die Tür zur Intensivstation zu und blieb dann abrupt stehen. Margaret Scully schien davon nichts zu bemerken. Sie hatte die Hände gefaltet und den Blick starr auf den kleinen Tisch vor sich gerichtet.
»Karen Ann Quinlan lebte noch neun Jahre nach der Beendigung mechanischer Atemhilfe«, fuhr Daly fort.
»Ich glaube allerdings nicht... daß das auch bei Ihrer Tochter der Fall sein wird, Mrs. Scully. Ich vermute, daß sie sich seit ihrem Verschwinden in diesem Zustand befindet und... keine Besserung eintreten
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